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begriffe:kristallisation

Kristallisation


griech. κρύσταλλος (Eis) engl. cristallisation
franz. cristallisation Gegenbegriffe
Wortfeld Kristallisierung, Kristallbildung, Fällung, Kristallograph, Kristallochemie, kristallin

Disziplinäre Begriffe

  • Allgemein: Vorgang der zur Bildung von Festkörpern aus polyedrischen Figuren führt (Verhärtung; Kristallisierung; Kristallbildung).
  • Psychoanalyse: Fachbegriff, von Sigmund Freud eingeführt (Vgl.: Freud, Sigmund u. Josef Breuer: Studien über Hysterie. Leipzig; Wien, 1895).

Material

A. Primärmaterial

1749 ff.Buffon: Entwicklung des Modells der Kristallisation organischer Materie, das sich jedoch von der Kristallisation anorganischer Körper unterscheidet, in der Hinsicht dass, dass organische Matiere aus 'organischen Molekülen' besteht, die sich einer "moule interieure" folgend zu den jeweiligen Organen zusammenfinden.
Vgl. dazu: Eva Johach, Krebszelle und Zellenstaat, Freiburg u.a., 2008, S. 107 f: "Nach seinem Modell setzen sich lebende Körper aus 'organischen Molekülen' zusammen, die sich gemäß einer inneren Prägeform (moule interieure) zu den jeweiligen Organen anordnen. Dieser Organisationsprozeß verdankt sich einer 'durchdringenden Kraft' (force pénétrante), die Buffon provokant mit der Schwerkraft analogisiert. In der deutschen Tradition wird das Buffonsche Modell als 'atomistisch' abgelehnt."
1784/91Herder, Johann Gottfried: Ideen zur Philosophie der Geschichte der Menschheit, Herausgegeben von Heinz Stolpe, Berlin und Weimar, Aufbau, 1965, Bd. 1, S. 51f:
„Die unermeßliche Kette reicht vom Schöpfer hinab bis zum Keim eines Sandkörnchens, da auch dieses seine bestimmte Gestalt hat, in der es sich oft der schönsten Kristallisation nähert. Auch die vermischtesten Wesen folgen in ihren Teilen demselben Gesetz; nur weil so viel und mancherlei Kräfte in ihnen wirken und endlich ein Ganzes zusammengebracht werden sollte, das mit den verschiedensten Bestandteilen dennoch einer allgemeinen Einheit diene, so wurden Übergänge, Vermischungen und mancherlei divergierende Formen. […]
[52] Noch eine gewaltigere und reinere Wirkung des Feuers und der Kälte ward zur Kristallisation erfodert, die nicht mehr die Muschelform, in die der Kiesel springt, sondern schon eckigte geometrische Winkel liebet. Auch diese ändern sich nach den Bestandteilen eines jeden Geschöpfs, bis sie sich in Halbmetallen und Metallen zuletzt der Pflanzensprossung nähern.“ Vgl. Volltext online.
1789Schiller, Friedrich: Das philosophische Gespräch aus dem Geisterseher, in: Sämtliche Werke, Auf Grund der Originaldrucke herausgegeben von Gerhard Fricke und Herbert G. Göpfert in Verbindung mit Herbert Stubenrauch, 3. Auflage, München, Hanser, 1962, Bd. 5, S. 165: S. 165:
„»Geben Sie dem Kristalle das Vermögen der Vorstellung, sein höchster Weltplan wird Kristallisation, seine Gottheit die schönste Form von Kristall sein. Und mußte dies nicht so sein? Hielt nicht jede einzelne Wasserkugel so getreu und fest an ihrem Mittelpunkte, so würde sich nie ein Weltmeer bewegt haben.«“ Vgl.: Volltext online.
1790Kant, Immanuel: Kritik der Urteilskraft, Werausgabe, Bd. X, Frankfurt a.M. 1979, S. 30:
"Die Natur verfährt in Ansehung ihrer Produkte als Aggregate mechanisch, als bloße Natur; aber in Ansehung derselben als Systeme, zum Beispiel Kristallbildungen, allerlei Gestalt der Blumen , oder dem inneren Bau der Gewächse und Tiere, technisch, d.i., zugleich als Kunst."
1797Schelling, Friedrich Wilhelm Joseph von: Ideen zu einer Philosophie der Natur, in: ders., Werke. Auswahl in drei Bänden. Herausgegeben und eingeleitet von Otto Weiß, Leipzig: Fritz Eckardt, 1907, Bd. 1, S. 429:
„Das Resultat der Trennung fester und flüssiger Körper ist Kristallisation, Gerinnung, Aufschlag oder Niederschlag der letzteren.“
1798Schelling, Friedrich Wilhelm Joseph von: Von der Weltseele, in: ders., Werke, Bd. 1, S. 614:
„Es ist sonach a priori abzuleiten, daß jeder feste Körper eine Art von Individualität hat, sowie, daß jeder Übergang aus flüssigem in festen Zustand mit einer Anschießung, d.h. Bildung zu bestimmter Gestalt, verbunden ist; denn das Wesen des Flüssigen besteht eben darin, daß in ihm kein Teil angetroffen werde, der vom andern durch Figur sich unterscheide (in der absoluten Kontinuität, d.h. Nichtindividualität seiner Teile), dagegen je vollkommener jener Prozeß des Übergangs ist, desto entschiedener die Figur des Ganzen nicht nur, sondern auch der Teile. (Es ist aus der Chemie bekannt, daß keine regelmäßige Kristallisation sich bildet, als wenn sie ruhig geschieht, d. h. wenn der freie Übergang der Materie vom flüssigen in festen Zustand nicht gestört wird.)[…]
/619/Die Unzertrennlichkeit der Materie und Form (welche das Wesen der organisierten Materie ausmacht) scheint sich übrigens in der anorgischen Natur schon an manchen Produkten zu offenbaren, da viele (wenn ihre Bildung nicht gestört wird) unter einer ihnen eignen Form sich kristallisieren. Wenn spezifisch verschiedene Materien, z.B. verschiedene Salze, die aus einem gemeinschaftlich Auflösungsmittel unter gleichen Umständen sich scheiden, jedes in seiner eigentümlichen Form anschießt, so kann man den Grund dieser Erscheinung in nichts anderem als der ursprünglichen Qualität, und zwar, da das positive Prinzip aller Kristallisation ohne Zweifel dasselbe ist, in einer ursprünglichen Verschiedenheit ihres negativen Prinzips suchen. – Alle Kristallisationen (mit Häuy) als sekundäre Bildungen anzusehen, die aus der verschiedenen Anhäufung primitiver, unveränderlicher Gestalten entspringen, ist, wenn auch gleich ein solcher Ursprung mathematisch sich konstruieren läßt, doch nur ein scharfsinniges Spiel, da von keiner auch noch so einfachen Bildung bewiesen werden kann, daß sie nicht selbst noch sekundär sei.“
/620/ „Daß aber mit der verschiedenen Kombination der Elemente regelmäßig auch eine eigentümliche Form der Kristallisation verbunden sein müsse, ist a priori nicht nur, sondern aus vielen Erfahrungen bekannt, da beinahe alle (mineralischen) Kristallisationen, so wie sie in der Natur erzeugt werden, ihre Kristallisationsfähigkeit den verschiedenen Elementen verdanken, mit denen sie gemischt sind, und die durch Kunst von ihnen getrennt werden.“
/621f./ „Jetzt treiben einige ein leeres Spiel mit ihnen selbst unverständlichen Worten: tierische Wahlanziehung, tierische Kristallisation usw., ein Spiel, das nur deswegen neu scheint, weil ältere Physiologen sich scheuten, Naturwirkungen, von denen niemand zweifelt, daß sie geschehen, deren Ursache aber ihnen (sowie diesen neueren Physiologen) unbekannt war, als letzte Ursachen aufzustellen.“
/ 625f./ 4. Wäre der Bildungstrieb absoluter Grund der Assimilation des Wachstums, der Reproduktion usw., so müßte es unmöglich sein ihn weiter zu analysieren; er ist aber ein synthetischer Begriff, der, wie alle Begriffe dieser Art, zwei Faktoren hat, einen positiven (das Naturprinzip, durch welches die tote Kristallisation der tierischen Materie kontinuierlich gestört wird), und einen negativen (die chemischen Kräfte der tierischen Materie).“ Vgl.: Volltext online.
1801Hegel, Georg Wilhelm Friedrich: Differenz des Fichteschen und Schellingschen Systems der Philosophie, in: ders., Werke. Auf der Grundlage der Werke von 1832-1845 neu edierte Ausgabe. Redaktion Eva Moldenhauer und Karl Markus Michel, Frankfurt am Main, Suhrkamp, 1979, Bd. 2, S. 109:
„Wenn es in der anorganischen Natur den Kontraktionspunkt nach außen in die Kristallisation als eine äußere Idealität setzt, so bildet das Licht in der organischen Natur sich als Inneres zur Kontraktion des Gehirns, schon in der Pflanze als Blume, in welcher das innere Lichtprinzip in Farben sich zerstreut und in ihnen schnell hinwelkt; aber in ihr, so wie fester im Tier, setzt es sich durch die Polarität der Geschlechter subjektiv und objektiv zugleich; das Individuum sucht und findet sich selbst in einem anderen.“ Vgl.: Volltext online.
1802/03Hegel, Georg Wilhelm Friedrich: Aufsätze aus dem Kritischen Journal der Philosophie, in: ders., Werke, Bd. 2, S. 501:
„Denn das vollkommenste Mineral stellt zwar in jedem Teil, der von einer Masse abgesondert wird, die Natur des Ganzen vor, aber seine ideelle Form ist sowohl als innere des Bruchs als auch als die äußere der Kristallisation ein Außereinander; und nicht wie in den Elementen des Wassers, Feuers und der Luft ist jeder besondere Teil die vollkommene Natur und der Repräsentant des Ganzen, sowohl dem Wesen als der Form oder Unendlichkeit nach.“ Vgl.: Volltext online.
1803Schelling, Friedrich Wilhelm Joseph von: Vorlesungen über die Methode des akademischen Studiums, in: ders., Werke. Auswahl in drei Bänden. Herausgegeben und eingeleitet von Otto Weiß, Leipzig, Fritz Eckardt, 1907, Bd. 2, S. 266:
„Der Enthusiasmus des Zeitalters für Chemie hat diese auch zum Erkenntnisgrund aller organischen Erscheinungen und das Leben selbst zu einem chemischen Prozeß gemacht. Die Erklärungen der ersten Bildung des Lebendigen durch Wahlanziehung oder Kristallisation, der organischen Bewegungen und selbst der sogenannten Sinneswirkungen durch Mischungsveränderungen und Zersetzungen gehen vortrefflich vonstatten, nur daß diejenigen, die sie machen, vorerst noch zu erklären haben, was denn Wahlanziehung und Mischungsveränderung selbst sei, eine Frage, welche beantworten zu können, sie sich ohne Zweifel bescheiden. Mit dem bloßen Übertragen, Anwenden von dem einen Teil der Naturwissenschaft auf den andern ist es nicht getan: jeder ist in sich absolut, keiner von dem andern abzuleiten, und alle können nur dadurch wahrhaft eins werden, daß in jedem für sich das Besondere aus dem Allgemeinen und aus einer absoluten Gesetzmäßigkeit begriffen wird.“ Vgl.: Volltext online.
1808/10Goethe, Johann Wolfgang: Zur Farbenlehre, in: Gedenkausgabe der Werke, Briefe und Gespräche. Herausgegeben v. Ernst Beutler, Zürich 1948 ff., Bd. 16, S. 147:
„496. Die bekannten unzerlegten Erden sind in ihrem reinen Zustand alle weiß. Sie gehn durch natürliche Kristallisation in Durchsichtigkeit über; Kieselerde in den Bergkristall, Tonerde in den Glimmer, Bittererde in den Talk, Kalkerde und Schwererde erscheinen in so mancherlei Späten durchsichtig.“ Vgl.: Volltext online.
1810Ritter, Johann Wilhelm: Fragmente aus dem Nachlaß eines jungen Physikers, Bd. II, S. 82.
"Im Tod wird die Harmonik zur Form: ein einmaliger harmonischer Zustand bleibt bestehen (Kristall) oder zerfällt in die harmonischen Einzelelemente dieser letztmaligen Form Mensch, Tier, Pflanze, in den Chemismus ihrer Zufallsprodukte: der in der Regel kristallographisch 'organisiert' ist."
1812/16Hegel, Georg Wilhelm Friedrich: Wissenschaft der Logik. In: ders., Werke, Bd. 6, S. 99:
„Wenn eine Kristallisationsform dadurch erklärt wird, daß sie ihren Grund in dem besonderen Arrangement habe, in das die Moleküle zueinander treten, so ist die daseiende Kristallisation dies Arrangement selbst, welches als Grund ausgedrückt wird. Im gewöhnlichen Leben gelten diese Ätiologien, auf welche die Wissenschaften das Privilegium haben, für das, was sie sind, für ein tautologisches, leeres Gerede.“ Vgl.: Volltext online.
1822Stendhal: De l’amour. Paris, 1822: "réunion d’éléments pour former un sentiment".
1830Hegel, Georg Wilhelm Friedrich: Enzyklopädie der philosophischen Wissenschaften im Grundrisse, in: ders., Werke, Bd. 9, S. 241:
„3. Dies immaterielle Fürsichsein (Kraft) der Form, zu innerlichem Dasein fortgehend, hebt die neutrale Natur der Kristallisation auf, und es tritt die Bestimmung der immanenten Punktualität, Sprödigkeit (und dann Kohäsion) ein, bei noch vollkommener, aber formeller Durchsichtigkeit (sprödes Glas z.B.).“ Vgl.: Volltext online.
1830Gehler, Johann Samuel Traugott: (Art.) Krystallogenie, in: Johann Samuel Traugott Gehler’s Physikalisches Wörterbuch. Bd. 5,2. Leipzig, 1830. S. 1340-1360.
1839Schwann, Theodor: „Mikroskopische Untersuchungen über die Übereinstimmung in der Struktur und dem Wachstum der Tiere und Pflanzen“, 1839: Übertragung des physikalischen Modells der Kristallisation auf biologische Prozesse. Vgl. dazu: Eva Johach: Krebszelle und Zellenstaat, Freiburg u.a., 2008: „Durch die Analogie der Zell- mit der Kristallbildung werden diesem Vorgang, der sich nicht in actu beobachten läßt, Begriffe aus der bereits gut erforschten Kristallchemie assoziiert“.
1859Marx, Karl: Zur Kritik der politischen Ökonomie, in: MEW Bd. 13, S. 34:
„Die besondere Ware, die so das adäquate Dasein des Tauschwerts aller Waren darstellt, oder der Tauschwert der Waren als eine besondere, ausschließliche Ware, ist – Geld. Es ist eine Kristallisation des Tauschwerts der Waren, die sie im Austauschprozeß selbst bilden.
/130f./Die Natur produziert kein Geld, so wenig wie Bankiers oder einen Wechselkurs. Da die bürgerliche Produktion aber den Reichtum als Fetisch in der Form eines einzelnen Dings kristallisieren muß, sind Gold und Silber seine entsprechende Inkarnation. Gold und Silber sind von Natur nicht Geld, aber Geld ist von Natur Gold und Silber. Einerseits ist der silberne oder goldne Geldkristall nicht nur Produkt des Zirkulationsprozesses, sondern in der Tat sein einziges ruhendes Produkt. Andrerseits sind Gold und Silber fertige Naturprodukte, und sie sind das erste unmittelbar, wie sie das zweite sind, durch keine Formverschiedenheit getrennt.“ Vgl.: Volltext online.
1865Marx, Karl: Lohn, Preis, Profit, in: MEW Bd. 16, S. 123:
„Wir kommen daher zu folgendem Schluß. Eine Ware hat Wert, weil sie Kristallisation gesellschaftlicher Arbeit ist. […] /125/ Zum Beispiel ist der Wert einer bestimmten Menge Baumwollgarn die Kristallisation des Arbeitsquantums, das der Baumwolle während des Spinnprozesses zugesetzt worden, des Arbeitsquantums, das früher in der Baumwolle selbst vergegenständlicht worden, des Arbeitsquantums, vergegenständlicht in Kohle, Öl und andern verbrauchten Hilfsstoffen, des Arbeitsquantums, dargestellt in der Dampfmaschine, den Spindeln, den Fabrikgebäuden usw.
/136/ Verkauft daher der Kapitalist die Ware zu ihrem Wert, d.h. als Kristallisation des auf sie verwendeten Gesamtarbeitsquantums, so muß er sie notwendigerweise mit Profit verkaufen.“ Vgl.: Volltext online.
1866Friedrich Albert Lange: Geschichte des Materialismus und Kritik seiner Bedeutung in der Gegenwart, Frankfurt am Main, Suhrkamp, 1974, S. 711:
„Wenn wir schon in der Kristallisation, die unter so viel einfacheren Bedingungen steht, die mannigfachsten Unregelmäßigkeiten entdecken, so daß der Kristall der Theorie eigentlich nur ein Ideal ist, so werden wir bei den Organismen leicht einsehen, daß das Entwicklungsgesetz Störungen und Mißbildungen aller Art, gemischte Formen neben den reinen, unvollkommne neben den Typen nicht verhindern kann, wiewohl es auf alle entstehenden Formen seinen Einfluß übt.“ Vg:.: Volltext online.
1867Marx, Karl: Das Kapital, in: MEW Bd. 23, S. 145:
„Die Zirkulation wird die große gesellschaftliche Retorte, worin alles hineinfliegt, um als Geldkristall wieder herauszukommen. Dieser Alchimie widerstehn nicht einmal Heiligenknochen und noch viel weniger minder grobe res sacrosanctae, extra commercium hominum.
/149/ Jedoch sieht der Gegensatz jetzt von Haus aus minder gemütlich aus und ist größerer Kristallisation fähig. /485/ Die feste Kristallisation ihrer Gliederung, der alten Teilung der Arbeit entstammend, löst sich damit auf und macht fortwährendem Wechsel Platz.“ Vgl.: Volltext online.
1886Nietzsche, Friedrich: Jenseits von Gut und Böse, in: ders., Werke in drei Bänden. Herausgegeben von Karl Schlechta, München, Hanser, 1954, Bd. 2, S. 643:
„Man sollte, in aller Strenge, sich eingestehn, was hier auf lange hinaus noch nottut, was vorläufig allein Recht hat: nämlich Sammlung des Materials, begriffliche Fassung und Zusammenordnung eines ungeheuren Reichs zarter Wertgefühle und Wertunterschiede, welche leben, wachsen, zeugen und zugrunde gehn – und, vielleicht, Versuche, die wiederkehrenden und häufigeren Gestaltungen dieser lebenden Kristallisation anschaulich zu machen – als Vorbereitung zu einer Typenlehre der Moral.“ Vgl.: Volltext online.
1895Freud, Sigmund u. Josef Breuer: Studien über Hysterie. Leipzig; Wien, 1895.
1903Vorländer, Karl: Geschichte der Philosophie, Band 1 und 2, 5. Auflage, Leipzig, Felix Meiner, 1919:
„Obwohl die Beispiele in dem einleitenden § 35 gerade ihr entnommen werden. Während z.B. die Eisblumen an den Fenstern »unwesentlich und nur für uns da« sind, offenbaren die Gesetze der Kristallisation deren Wesen, stellen »die Idee« dar.“ [In Bezug auf die Ästhetik Schopenhauers] Vgl.: Volltext online.
1904Eisler, Rudolf: Wörterbuch der philosophischen Begriffe, 2., völlig neu bearb. Auflage, Berlin, Mittler, 1904, Bd. 2, S. 369:
„Nach ELSENHANS ist die Sitte »Kristallisation sittlicher Anschauungen« (Wes. u. Entsteh. d. Gewiss. S. 309).“ Vgl.: Volltext online.
1911Simmel, Georg: Der Begriff und die Tragödie der Kultur, in: Ralf Konersmann, Kulturphilosophie, S. 29:
„Es ist das Paradoxon der Kultur, dass das subjektive Leben, das sie in seinem kontinuierlichen Ströme fühlen, und das von sich aus auf seine innere Vollendung drängt, diese Vollendung, von der Idee der Kultur ausgesehen, gar nicht aus sich heraus erreichen kann, sondern nur über jene, ihm jetzt ganz formfremd gewordenen, zu selbstgenügsamer Abgeschlossenheit kristallisierten Gebilde.“
1912Le Bon, Gustave: Psychologie der Massen, 2. verb. Auflage, Leipzig 1912, S.28:
„Diese Vorstellung kann dann zum Kern einer Art Kristallisation werden, welche die Sphäre des Intellekts ergreift und allen kritischen Geist lähmt.“
1932Jünger, Ernst: Der Arbeiter. Herrschaft und Gestalt, Stuttgart 1982, S. 143f.:
„Die Masse ist ihrem Wesen nach gestaltlos, daher genügt die rein theoretische Gleichheit der Individuen, die ihre Bausteine sind. Die organische Konstruktion des 20. Jahrhunderts dagegen ist ein Gebilde kristallischer Art, daher fordert sie vom Typus, der in ihr auftritt, in einem ganz anderen Maße Struktur." 292f: "Diese Verminderung des inneren Widerstandes, also im Grunde der bürgerlichen Freiheit, durch Kristallisation der atomistischen Lagerung wird Kräfte entbinden, von denen man heute noch keine rechte Vorstellung hat.“
1960Blumenberg, Hans: Paradigmen zu einer Metaphorologie (1960), Frankfurt am Main, 1998, S. 13:
„[…] die Metaphorologie sucht an die Substruktur des Denkens heranzukommen, an den Untergrund, die Nährlösung der systematischen Kristallisationen.“
1961Gehlen, Arnold: Über kulturelle Kristallisation (1961), in: Studien zur Anthropologie und Soziologie, Neuwied, S. 311ff:
„was ich ,kulturelle Kristallisation’ nenne. Der Ausdruck ist insofern vielleicht missverständlich, als er an Anorganisches erinnert, er stammt übrigens von dem italienischen Soziologen Vilfredo Pareto, doch hat er bei ihm einen etwas anderen Inhalt. Ich fand ihn aber brauchbar und würde vorschlagen, mit dem Wort Kristallisation denjenigen Zustand auf irgendeinem kulturellen Gebiet zu bezeichnen, der eintritt, wenn die darin angelegten Möglichkeiten in ihren grundsätzlichen Beständen alle entwickelt sind. Man hat auch die Gegenmöglichkeiten und Antithesen entdeckt und hineingenommen oder ausgeschieden, so dass nunmehr Veränderungen in den Prämissen, in den Grundanschauungen zunehmend unwahrscheinlich werden. Dabei kann das kristallisierte System noch das Bild einer erheblichen Beweglichkeit und Geschäftigkeit zeigen […] Viele Menschen haben das Bedürfnis, den Gesamtzustand, in dem wir leben, irgendwie restaurativ oder so ähnlich zu nennen. Ich glaube, dass das falsch ist. Das sind Begriffe, die aus einer früheren Weltperiode und nicht aus der Analyse des Gegebenen genommen sind. Ich möchte vorschlagen, sie fallen zu lassen und dafür den hier gewählten Ausdruck Kristallisation einzusetzen, der […] den Detailfortschritt der auseinandergezweigten Einzelwissenschaften gerade nicht ausschließt, sondern einschließt. […] Ausbau auf der Stelle […].“ Die Verwendung des Begriffs ist gebunden an die These, „dass wir im Posthistoire angekommen sind“.

B. Sekundärmaterial

Begriffsgeschichtliche Arbeiten

  • Lipp, W.: (Art.) Kristallisation, in: Historisches Wörterbuch der Philosophie. Hg.v. J. Ritter u. K. Gründer. Bd. 4, Basel; Stuttgart, 1976, Sp. 1245-1247. Inhaltsangabe

Sonstige Literatur

  • Bolz, Norbert: Der ewige Friede als Farce. Zum Horizont der >Posthistoire<, in: Parabel. Ende der Geschichte. Abschied von der Geschichtskonzeption der Moderne?, hrsg. v. H. Schröter und S. Gürtler, Münster 1986.
  • Burckhardt, J.J.: Die Symmetrie der Kristalle: von René-Just Haüy zur Kristallographischen Schule in Zürich. (Mit einem Beitrag von Eberhard Scholz). Basel, Boston, Berlin, 1988.
  • Rezension: H.H. Kubbinga, Archives Internationales d’Histoire des Sciences 40, 1990, S. 136-137.
  • Burke, John G.: Origins of the Science of Crystals. Berkley, Los Angeles UC-Press, 1966.
    • Rezension: Adrienne R. Weill, Archives Internationales d’Histoire des Sciences 23, 1970, S. 307-312.
  • Fabian, Eginhard: Zur Verallgemeinerung und Überwindung des antiken Kristallbegriffs im 17. Jahrhundert. In: Antiquitas Graeco-Romana ac tempora nostra. Acta congressus internationalis habiti Brunnae diebus 12-16 mensis Aprilis 1966. Prag, 1968, S. 495-503.
  • Maulitz, Russel: Schwann's Way: Cells und Crystals, in: Journal of the History of Medicine 26, 1971, S. 422-437.
  • Metzger, Hélène: La genèse de la science des cristeaux. Paris 1969.
    • Rezension: John G. Burke, Archives Internationales d’Histoire des Sciences 23, 1970, S. 312-315.
  • Müller-Strahl, Gerhard: Der Organismus in Hinsicht auf kristalline Materie. Die Konzeption Ernst Heinrich Webers (1795-1878) und ihre Relevanz für die Theorie der Zellen bei Theodor Schwann (1810-1882), in: Acta Historica Leopoldina 46, 2006, S. 283-331.
  • Niethammer, Lutz: Das Posthistoire. Ist die Geschichte zu Ende?, Hamburg 1989.
  • Scholz Erhard: Symmetrie, Gruppe, Dualität. Zur Beziehung zwischen theoretischer Mathematik und Anwendungen in Kristallographie und Baustatik im 19. Jhd. Berlin; Basel, 1989.
    • Rezension: Klaus Hentschel, Archives Internationales d’Histoire des Sciences 41, 1991, S. 113-114.
  • Wittrock, Björn. Cultural Crystallisation and Conceptual Change: Modernity, Axiality and Meaning in History. In: Zeit, Geschichte und Politik. Hg. von Jussi Kurunmäki u. Kari Palonen. Zum achtzigsten Geburtstag von Reinhart Koselleck. Helsinki, 2003.

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