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begriffe:typus

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Typus

Siehe auch: Archetypus


altrri./lat. τύπος/typus Synonyme Bauart/ Muster/ Gattung
engl type Gegenbegriffe
franz. type Unterbegriffe Phänotyp/ Prototyp/ Typisierung/ Typologie
Wortfeld

Disziplinäre Begriffe

Type (franz.):

  • Allgemein: Umgangssprachlicher Gebrauch zur Bezeichnung von Menschen- und Tierarten. Auch personal im Sinne von 'eigenartiger, bizarrer Mensch', bzw.: Männer bzw. Frauentyp (als Klassifizierung), sowie umgangssprachlich in der Redewendung: 'Er oder sie ist nicht mein Typ' gebraucht.
  • Technik: Fachbegriff der Drucktechnik (Drucktypen, Typographie) (Model).
  • Numismatik: Verwendet in Bezug auf die Einprägung, eingeprägte Figur einer Münze oder Medaillie.
  • Philosophie: Fachbegriff in der Philosophie.
  • Ökonomie: Im Handel in Bezug auf Serienprodukte verwendet.
  • Kunst: Gebräuchlich im Sinne von 'autoritativem Model, Norm'. Auch gebraucht zur Bezeichnung verschiedener Kunstgattungen (Malerei, Bildhauere, Literatur).

Typus:

  • Biologie: Begriff der biologischen Nomenklatur/ Taxonomie.
  • Literatur: Bestimmte unveränderliche Charaktere mit feststehenden Merkmalen, die besonders im Drama in ihrer Art festgelegt sind und in verschiedenen Stücken in gleicher Weise wiederkehren.

Material

A. Primärmaterial

1745Zedler, Johann Heinrich: (Art.) Typus, in: Grosses vollständiges Universal Lexicon aller Wissenschafften und Künste, Bd. 45, S. 1108.
1795Johann Wolfgang von Goethe: Erster Entwurf einer allgemeinen Einleitung in die vergleichende Anatomie, darin: Vorschlag zu einem anatomischen Typus [vgl. Lefèvre 1984]
1824/26Alexander von Humboldt: Grundzüge des allgemeinen Sprachtypus. Hrsg. v. Christian Stetter. Berlin; Wien, 2004.
1816terminus technicus bei Henri Marie Ducrotay de Blainville,[vgl. Lefèvre 1984]
1859Charles Darwin. Dazu: Wuketits, Franz M., Darwin und der Darwinismus, München 2005, S. 61: „Man wird Darwins revolutionärer Bedeutung aber kaum gerecht, wenn man nicht folgenden Umstand ganz besonders hervorhebt: Das abendländische Denken war über zwei Jahrtausende maßgeblich von einem typologischen Denken geprägt, wonach sich die Natur auf einige unwandelbare Typen oder Wesen halten zurückführen lässt. […] Darwin hingegen erkannte ganz deutlich, dass allein die Variation real ist nicht der Typus.“
1866Friedrich Nietzsche: Jenseits von Gut und Böse. In: ders. Werke, hg. v. K. Schlechta. München, 1954, Bd. 2, S. 643: "Versuche, die wiederkehrenden und häufigeren Gestaltungen dieser lebenden Kristallisation anschaulich zu machen – als Vorbereitung zu einer Typenlehre der Moral."
1904Max Weber führt in Die Objektivität sozialwissenschaftlicher und sozialpolitischer Erkenntnis in Anknüpfung an Rickert den Begriff des Idealtypus als Instrument der soziologischen Analyse ein
1906Charles S. Peirce führte in seinen Prolegomena to an Apology for Pragmaticism das Begriffspaar Type-token ein, das vor allem in der Philosophie des Geistes und in der strukturalen Linguistik verwendet wird
1932Ernst Jünger: Der Arbeiter. Herrschaft und Gestalt. Stuttgart, 1982: Der Typus erscheint hier im Gegensatz zum bürgerlichen Individuum als Gestalt eines neuen (technischen) Zeitalters, das die überkommenen Werte und Formen zerstört. Zum Begriffsfeld des Typus gehören (vgl. S. 121-155): Maske, Verarmung/Verfall/Dekomposition/Schwund/Nivellierung/Einebnung, Einheitlichkeit, Uniform(ismus), Sachlichkeit, Marke, Modell, Gleichförmigkeit, Eindeutigkeit, Ziffer, Statistik
1984Wolfgang Lefèvre: Die Entstehung der biologischen Evolutionstheorie. Frankfurt/M. u.a., 1984 behandelt S. 176-181 die Entwicklung des Begriffs des morphologischen Typus als Kategorie der Systematik als eines der großen Resultate, die die vergleichende Anatomie an der Wende vom 18. zum 19. Jh. zeitigte. Goethe habe 1795 den „Vorschlag zu einem anatomischen Typus“ gemacht, und zwar im Sinne eines „allgemeinen Bilde[s], worin die Gestalten sämtlicher Tiere der Möglichkeit nach enthalten wären, und wonach man jedes Tier in einer gewissen Ordnung beschriebe.“ Als Terminus technicus wurde der Begriff ,Typus’ allerdings zuerst (1816) von Henri Marie Ducrotay de Blainville in die morphologische Nomenklatur eingeführt […] Im Unterschied zu dem ,allgemeinen Bild’ oder dem ,einfachen und allgemeinen Muster oder Modell’ meint dieser Begriff des morphologischen Typus also nicht ein Identisches, das in den bestimmten organischen Formen jeweils verschieden realisiert ist, also als solches nicht erscheint, sondern eine strukturelle Eigentümlichkeit, die in den jeweils zugehörigen Formen identisch realisiert ist und so empirisch konstatiert werden kann. […] Ein weiterer wichtiger Unterschied ist hervorzuheben: der neue Begriff des morphologischen Typus bezeichnet nicht wie der alte beziehungsweise seine Äquivalente etwas, worin alle die Formen des Tierreich übereinkommen, sondern gerade etwas, wonach sie in Gruppen einzuteilen sind. Das Tierreich stellt in seiner Mannigfaltigkeit nicht einen Typus dar, sondern zerfällt vielmehr in Typen, und zwar - nach Cuvier - in vier Typen […] Und Cuvier betonte strikt und nachdrücklich, dass es zwischen diesen keinerlei Verwandtschaft und Übergänge gebe und hob das namentlich gegen die Transformationstheorie Lamarcks und später Geoffroy Saint-Hilaires hervor.“
2000Wolfgang Wuketits, Franz M.: Darwin und der Darwinismus, München 2005, S. 61: „Man wird Darwins revolutionärer Bedeutung aber kaum gerecht, wenn man nicht folgenden Umstand ganz besonders hervorhebt: Das abendländische Denken war über zwei Jahrtausende maßgeblich von einem typologischen Denken geprägt, wonach sich die Natur auf einige unwandelbare Typen oder Wesen halten zurückführen lässt. […] Darwin hingegen erkannte ganz deutlich, dass allein die Variation real ist nicht der Typus.“

B. Sekundärmaterial

Begriffsgeschichtliche Arbeiten

  • Schlenstedt, Dieter: (Art.) Typisch/Typus, in: Ästhetische Grundbegriffe, Bd. 7. Stuttgart; Weimar, 2005, S. 191-247.
  • Strenge, B., Lessing, H.-U.: (Art.) Typos/Typologie, in: Historisches Wörterbuch der Philosophie. Hg. v. J. Ritter u. K. Gründer. Bd. 10, Basel, 1998, Sp. 1587 - 1607.
Inhalt: In der Antike wird der Begriff in verschiedener Bedeutung v.a. im handwerklich-künstlerischen Bereich gebraucht, wo er (im weitesten Sinn) die 'prägende Form' bezeichnet. Über die lateinische Entlehung (Typus) wird der Begriff ins Mittelalter, die Frühe Neuzeit und Neuzeit vermittelt, wo er in der Theologie, der Rhetorik (als 'mustergültiges Schema'), später in der Naturphilosophie des 18. Jhs. in verschiedensten Zusammenhängen, als Grundgestalt, als taxonomischer Begriff zur Differenzierung von 'Arten' oder zur Differenzierung von sozialen, psychologischen und nationalen Charakteren gebraucht wird.
Während sich Typus in der Antike zum Teil auf die Wahrnehmung (das Eindrücken von Wahrnehmungen) bezieht, wird der Begriff v.a. in der christlich-religiösen Tradition bedeutsam. Hier wird er in das System der 'allegoria' eingebunden. Die Reformation bringt ein verändertes Bewusstsein gegenüber der Verbindung von Allegorie und Typus. Im 17. Jhd. erfolgt dann die Trennung des allegorischen, verborgenen vom 'tatsächlichen' Schriftsinn, letzerer wird als 'typus' bezeichnet. Das Problem der Typologie bleibt aber bis ins 20. Jhd. hinein in der Theologie virulent.
Parallel zur theologischen Debatte gewinnt der Begriff seit dem 18. Jhd. in den Naturwissenschaften und in der Philosophie Bedeutung. Den Auftakt bildet die vergleichende Naturgeschichte der Tiere von G. Buffon (Idee des Grundbauplans). Vielfach findet der Begriff in Zusammenhang mit der Suche nach den Urformen des Organischen (Urtier; Urpflanze) Verwendung (so bei Goethe). In der Philosophie des 18. und 19. Jhs. erlangt der Begriff in der Naturphilosophie, der praktischen Philosophie und der Ästhetik Bedeutung.
Nachfolgend erörtert der Artikel den Begriff in der philosophischen Logik seit der Mitte des 19. Jhs., sowie in Bezug auf die Psychologie.
Eigens aufgeführt wird die Verwendung des Begriffes bei W. Dilthey, bei dem Typus zwei grundlegende (sich bei ihm teils überschneidende) Bedeutungen annimmt, die ein für die Philosophie der Geisteswissenschaften bedeutsames Gegensatzpaar bilden: 1. Im ästhetisch-poetologischen, 'hermeneutischen' Kontext meint Typus den Ausdruck eines Wesenhaften, Charakteristischen, Bedeutsamen. 2. Erscheint ein 'durch die organische Naturanschauung inspirierter Typus-Begriff, in dem Typus eine durch vergleichende, d.h 'morphologische', also quasi-naturwissenschaftliche Analyse gewonnene Grundgestalt der Philosophie, Religion oder Dichtung' meint. Der Dilthey'sche Typusbegriff wird in der Folge merhfach übernommen und vielfach diskutiert (so z.B. bei H. Nohl, der versucht Diltheys Weltanschuungstypologie auf Dichtung, Malerei und Musik zu übertragen).
In der Philosophie des 19. und 20. Jhs. bleibt die Diskussion um den Typus-Begriff z.B. bei G. Simmel, H. Vaihinger, M. Scheler, Karl Jaspers und in der hermeneutischen Theorie virulent.
Ferner findet der Typusbegriff im 19. und 20. Jhd. in den Geschichts- und Sozialwissenschaften Verwendung. Max Webers Konzept des 'Idealtypus' ist für die weitere Theorieentwicklung von herausragender Bedeutung. Dieser meint ein "Gednakenbild, welches nicht die historische Wirklichkeit oder gar die 'eigentliche' Wirklichkeit ist, welches noch viel weniger dazu da ist, als ein Schema zu dienen, in welches die Wirklichkeit als Exemplar eingeordnet werden sollte, sondern welches die Bedeutung eines rein idealen Grenzbegriffes hat, an welchem die Wirklichkeit zur Verdeutlichung bestimmter bedeutsamer Bestandteile ihres empirischen Gehaltes gemessen, mit dem sie verglichen wird."
Abschließend wird die Verwendung des Begriffes in der Psychologie und Psychiatrie thematisiert, wo zahlreiche Typus-Begriffe und Typologisierungsansätze z.B. in Bezug auf die Grundformen des menschlichen Körperbaus, seines Charakters und der verschiedenen Einzelphänomene des Seelischen Lebens kursieren. Dabei werden Typus-Konzeptionen z.B. in der differentiellen Psychologie und der Konstitutionstypologie bedeutsam. Ferner werden von C. G. Jung, E. R. Jaensch und G. Pfahler charakterologische Typologien und besonders in der Ganzheitspsychologie Typologien von Wahrnehmung und Auffassung vorgelegt.
Jüngster Literaturhinweis 1997.
  • Toepfer, Georg: (Art.) Typus, in: Historisches Wörterbuch der Biologie. Geschichte und Theorie der biologischen Grundbegriffe, Stuttgart und Weimar 2009 ff. (im Druck)

Siehe auch:

  • Helmer, K: (Art.) Vorbild, in: Historisches Wörterbuch der Philosophie. Hg.v. J. Ritter u. K. Gründer. Bd. 11, Basel/Stuttgart, 2001, Sp. 1184 - 1186.

Sonstige Literatur

  • Asmuth, Bernhard: (Art.) Charakter, in: Reallexikon der deutschen Literaturwissenschaft. Neubearbeitung des Reallexikons der deutschen Literaturgeschichte. H. v. Klaus Weimar. Bd. I, A-G. Berlin, 1997, S. 297-299.
  • Coleman, William: Georges Cuvier, Biological Variation and the Fixity of Species. Archives Internationales d’Histoire des Sciences 15 (1962) S. 315-331.
  • Freud, Sigmund: Über libidinöse Typen (1931). In: Gesammelte Werke, Bd. XIV, S. 509-513.
  • Jannidis, Fotis: (Art.) Typologie(3), in: Reallexikon der deutschen Literaturwissenschaft. Neubearbeitung des Reallexikons der deutschen Literaturgeschichte. H. v. Jan-Dirk Müller. Bd. III, P-Z. Berlin, 2003, S. 712-713.
  • Hall, Stuart, George: Art.: Typologie. In: Theologische Realenzyklopädie. Hg. von Gerhard Müller. Bd. XXXIV. Berlin, 2002. S. 208-224.
  • Kokert, Josef: Der Begriff des Typus bei Karl Larenz. Berlin, 1995. (zugl. Diss. Univ. Köln, 1993.)
  • Mezzanzanica, Massimo: Der Typusbegriff bei Dilthey und York. In: Dilthey und York Philosophie und Geisteswissenschaft im Zeichen von Geschichtlichkeit und Historismus. Hg. von J. Krakowski u. G. Scholz. Breslau, 1996. S. 167-178.
  • Ramat, Paolo: Il cocetto di «tipo» in linguistica. Lingua et Stile 15 (1980) 329-335.
  • Santrupp, Rudolf: (Art.) Typologie(1), in: Reallexikon der deutschen Literaturwissenschaft. Neubearbeitung des Reallexikons der deutschen Literaturgeschichte. H. v. Jan-Dirk Müller. Bd. III, P-Z. Berlin, 2003, S. 707-709.
  • Thomé, Horst: (Art.) Typologie(2), in: Reallexikon der deutschen Literaturwissenschaft. Neubearbeitung des Reallexikons der deutschen Literaturgeschichte. H. v. Jan-Dirk Müller. Bd. III, P-Z. Berlin, 2003, S. 709-712.

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