Benutzer-Werkzeuge

Webseiten-Werkzeuge


begriffe:steuerung

Dies ist eine alte Version des Dokuments!


Steuerung


lat./ mhd. gubernare/ stiurunge engl. control
franz. commande, pilotage Gegenbegriffe
Wortfeld Bedienung, Führung, Lenkung, Regulierung

Disziplinäre Begriffe

  • Allgemein: Gebraucht im Sinne von 'jemandem etwas anvertrauen, empfehlen' (veraltet). Auch im Sinne von 'jemanden oder etwas beherrschen'.
  • Militär: Im franz. (commande): Anordnen, dirigieren, befehlen.
  • Ökonomie: Gebraucht im Sinne von 'demnader la livraison de (un marchandiese)'.
  • Technik: Ein Fachbegriff der Automatisierungstechnik. Auch: Vorrichtung zur Lenkung von Verkehrsmitteln.

Material

A. Primärmaterial

1927Karl Bühler, Die Krise der Psychologie, Frankfurt/M., Berlin, Wien 1978: Bühler formuliert vor dem Hintergrund der Krise der Psychologie; er strebt eine Neufundierung an, die zugleich ein neues Begriffssystem erfordere. 65f.: „Wir haben den Begriff der Steuerung aus dem Wortschatz des Physikers entlehnt, um die zweckvolle gegenseitige Beeinflussung des Verhaltens der Mitglieder tierischer und menschlicher Gemeinschaften auf eine Formel zu bringen, die kraft ihrer Herkunft wenigstens den oberflächlichsten Einwänden mechanistisch gesinnter Denker entrückt ist. Es gibt Steuerungen auch an toten Systemen, man kann ihr Vorhandensein und ihre Richtpunkte, auch ohne von vornherein bestimmte Annahmen über den Steuermann zu treffen, bestimmen. Und nichts hindert, diesen Begriff in gleicher Weise vom Benehmen und vom Erleben zu gebrauchen. Vielleicht ist der Gegenstand der Psychologie einigermaßen exakt durch diesen Begriff zu charakterisieren. Die Steuerungen im Gesamthaushalt der Individuen selbst, samt ihren Bezügen zu dem Gemeinschaftsleben und zu ideellen Richtpunkten, das gibt in der Tat eine brauchbare Umschreibung, die allen drei Aspekten [i.e.: Struktur, Sinn und Zweck] gerecht wird.“ 43 „der Begriff der Steuerung, den wir als terminus technicus empfehlen möchten. Über ihn noch ein Wort. Wer physikalische Modelle bevorzugt, um seine Begriffe zu klären, mag sich irgendein Zweiersystem von Sender und Empfänger wählen, um daran den wichtigen Begriff der Steuerung durchzudenken. Ein Empfänger braucht selbst nicht rein passiv, das heißt nicht stromlos zu sein; was der Sender bewirkt, kann eine Steuerung des Eigengeschehens im Empfänger sein. Nun, wir wissen gar nichts von einem Innern, einem Zumutesein materieller Systeme. Aber man gebe uns eines von der Art, wie sie die Menschen für die Zwecke ihrer Mitteilung in die Ferne konstruiert haben, in Betrieb zur Untersuchung, und wir wollen an ihm rein mit den Mitteln des Technikers über die Art der Koppelung und die Angelegenheit der Steuerung allerhand wichtige Erkenntnisse gewinnen.“ - Hubert Rohracher im Geleitwort, S. VII: „dass Bühler in diesem Buch an vielen Stellen Gedanken von grundlegender Bedeutung für die kybernetische und informationstheoretische Forschung ausgesprochen hat. Das sinnvolle Verhalten der Menschen in der Gemeinschaft, so schreibt er, unterliege einer ,gegenseitigen Steuerung’, die sich am besten ,am Zweiersystem von Sender und Empfänger’ darstellen lasse, wobei in jedem Partner ,die Rückmeldungen der Eigenaktionen von den Meldungen der Fremdaktionen’ sauber geschieden sein müssen. Bühler berichtet, dass ihm ,der Begriff der Steuerung aus der Sprachtheorie erwachsen sei’; er unterscheidet ,systembedingte’ und ,systemfremde Steuerungen’ und illustriert diese Begriffe - genau wie fast 20 Jahre später die Kybernetik - am Bild des Steuermannes, aber auch am lebendigen Organismus, der ,ein Ganzes aus Maschine und Maschinisten’ darstelle. Der Maschinist und sein Aktionssystem sind der Gegenstand der Psychologie.“ Es gehe um ,Steuerungsprobleme des organischen psychischen Geschehens’“.

B. Sekundärmaterial

Begriffsgeschichtliche Arbeiten

  • Hassenstein, B./Hildebrandt, H., Müller, S.: (Art.) Steuerung, in: Historisches Wörterbuch der Philosophie. Hg. v. J. Ritter u. K. Gründer. Bd. 10, Basel, 1998, Sp. 144 - 150.
Inhalt: Der Artikel behandelt den Begriff der Steuerung vornehmlich im Bereich der Naturwissenschaften, Biologie, Technik und Psychologie. Ausgehend von dem Gebrauch des Wortes in Bezug auf die 'Lenkung' z.B. von Schiffen und Fahrzeugen, überträgt J. von Üexküll den Begriff in die Verhaltensbiologie. Steuerung beschreibt hier den Vorgang, wenn das "zentrale Nervensystem - oder durch dessen Vermittlung - Sinnreize bestimmen, welche Muskeln sich kontrahieren oder erschlaffen und welches Verhalten des Organismus dadurch zustande kommt. Der einfachtse Vorgang der biologischen Steuerung ist danach der Reflex." Üexküll erörtert den Steuerungsbegriff für die Biologie differenziert und erweitert diesen deutlich über die ursprüngliche Bedeutung. Eben dies geschieht auch im Bereich der Technik, wo der Begriff vielfältig, vor allem in Bezug auf Prozesse, gebraucht wird. Allgemein meint der Begriff hier das Ändern oder Kontrollieren von Kausalbedingungen für den zu steuernden Vorgang. Die heutige Biologie gebraucht den Steuerungsbegriff sowohl im Sinne Üexkülls als auch im Sinne der Technik. In der Psychologie spielt der Begriff in den Bewußtseins- und Aufmerksamkeitstheorien, als Handlungs-Steuerung, sowie in den Vorläufern der kybernetischen Theorien (der Verhaltensforschung) und in der kognitiven Psychologie in Bezug auf die motorische Handlungsorganisation eine Rolle.
Jüngster Literaturhinweis 1992.

Siehe auch:

  • Göbel A.: (Art.) Sozialkybernetik, in: Historisches Wörterbuch der Philosophie. Hg.v. J. Ritter u. K. Gründer. Bd. 9, Basel/Stuttgart, 1995, Sp. 1210 - 1211.
  • Hassenstein, B.: (Art.) Kybernetik, in: Historisches Wörterbuch der Philosophie. Hg.v. J. Ritter u. K. Gründer. Bd. 4, Basel/Stuttgart, 1976, Sp. 1467 - 1468.

Sonstige Literatur


Kategorien:
begriffe/steuerung.1368006998.txt.gz · Zuletzt geändert: 2015/12/15 14:36 (Externe Bearbeitung)