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begriffe:spannung

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Spannung


gri./ lat. τόνος/ tentio (tensio); intentio (intensio) Synonyme Aufregung/ Nervosität
engl voltage/tension Gegenbegriffe Entspannung
franz. voltage/tension Unterbegriffe
WortfeldDramatik/ Tension/ Hochspannung

Disziplinäre Begriffe

Tension (franz.):

  • Physik: Oberflächenspannung; auch im Sinne von Druck: 'tension de vapeur' (hieraus entwickelt sich die medizinische Bedeutung von 'Blutdruck'). Verwendet zur Bezeichnung der elektrischen Spannung.
  • Soziologie/Politik: Übertragen gebraucht im Sinne von Anspannung, Spannung, Entspannung für gesamtgesellschaftliche und politische Lagen.

Spannung:

  • Physik (Mechanik): Kraft im inneren eines elastischen Körpers. Auch: die physikalische Größe der elektrischen Spannung.
  • Psychologie: Anspannung als geistig-seelischer Belastungszustand.
  • Kunst: Spannung als bewusst erzeugtes, intentionales narratologisches Mittel.
  • Medizin: Tonus als Spannungszustand der Muskulatur.
  • Kunst: Begriff der 'Gespanntheit' (Suspense).

Material

A. Primärmaterial

B. Sekundärmaterial

Begriffsgeschichtliche Arbeiten

  • Anz, Thomas: (Art.) Spannung, in: Reallexikon der deutschen Literaturwissenschaft. Neubearbeitung des Reallexikons der deutschen Literaturgeschichte. H. v. Jan-Dirk Müller. Bd. III, P-Z. Berlin, 2003, S. 464-467.
  • Hermann, Armin: (Art.) Spannung, in: Lexikon Geschichte der Physik A-Z, Köln, 1987.
  • Trappe, T./ Mainberger, S./ Kaiser-El-Safti, M.: (Art.) Spannung, in: Historisches Wörterbuch der Philosophie. Hg. v. J. Ritter u. K. Gründer. Bd. 9, Basel, 1995, Sp. 1282 - 1300.
Inhalt: Wissenschafts- und philosophiegeschichtlicher Artikel, der zunächst die Vieldeutigkeit, sowie das bedeutende Umschwenken des Spannunsbegriffes, der durch die Entdeckung des Spannungsgesetzes (A. Volta und R. H. A. Kohlrausch) bewirkt wird, beschreibt. Vor diesem Umschwung wurde Spannung im wesentlichen mit dem Gedanken der Elastizität verbunden und sowohl für die Erklärung physiologischer wie physikalischer Phänomene herangezogen. Um 1800 hat der Begriff Konjunktur und findet sich, neben den erwähnten Bereichen, in der Ästhetik, Dichtkunst und Rhetorik (Gespanntheit des Zuhörers).
In der Antike, bei Heraklit, ist die Spannung das typische Merkmal für die 'Einheit aus widerstrebenden Momenten'. In der Stoa wird die Spannung zu einem universellen Prinzip, indem sie 'den Kosmos als Ganzes und jedes einzelne Ding in sich zusammen' hält. Spannung wird hier auch für physiologische Prozesse und die Sinneswahrnehmung verantwortlich gemacht. Auch seelische Zustände, Gefühle und Strebungen werden auf Spannung zurückgeführt, weshalb der Begriff im Bereich der Ethik eine wichtige Rolle spielt. Die gewünschte psychophysische Gesamtverfassung ist die der Spannung, die zum Teil aus der Musik hergeleitet und so mit dem Begriff der Harmonie zusammengebracht wird (Tonos-Lehre).
Im Mittelalter diversifiziert sich der Begriff. Bei Augustinus tritt die Dichotonie von Spannung und Entspannung in den Vordergrund.
In der Neuzeit erklärt z.B. Burke aus der Spannung bzw. Erschlaffung der Nerven die Ästhetik des Erhabenen. Sowohl bei Kant wie auch bei Schiller gehört Spannung zum Komplex des Erhabenen. In der Potenzlehre Schellings ist der Spannungsbegriff von herausragender Bedeutung. Insgesammt wird der Begriff um 1800 in Naturwissenschaft und Naturphilosophie intensiv gebraucht. In der Religionsphilosophie gewinnt der Begriff verschiedene Bedeutungen. Für Kirkegaard etwa ist Spannung das 'Charakteristikum der christlich-religiösen Existenz'. In der Psychologie tritt der Begriff bei H. Bergson auf, der eine Beziehung zwischen Spannung und Zeit herstellt.
Im 20. Jhd. wird die Diskussion in der Philosophie fortgesetzt, wobei vielfach die Bewusstseins-Spannung im Sinne von Interesse eröertert wird (Husserl).
Auch in die Soziologie (Gehlen), wo Spannung den Gegenbegriff zur Entopie bildet, wie in die Handlungstheorie (F. Waismann), die Lingusitik und die Semiotik (Ricœur) findet der Begriff Eingang. Bereits seit Schelling wird der Versuch unternommen, den psychischen Zustand banger Erwartung, der metaphorisch als Spannung bezeichnet wird (z.B. in der Literatur) zu theoretisieren. Zentral ist der Spannungsbegriff auch in Adornos ästhetischer Theorie, 'wo sie zwischen Form und Inhaltsästhetik gleichsam vermittelt'.
Die Psychologie geht davon aus, dass das Individuum in ein Spannungsverhältnis polarer körperlicher und bewußter wie unbewußter seelischer Zustände gestellt ist: Schlafen - Wachen; Aufmerksamkeit - Dissoziation; usw. Spannung wird hier zuweilen, so von J. F. Herbart, synonym mit 'Aufmerksamkeit' benutzt. Freud operiert in seiner Theoriebildung ebenfalls mit dem Begriff der Spannung. So wird bspw. die Spannungszunahme in der posthum veröffentlichten Schrift 'Entwurf einer Psychologie' mit Unlust, Spannungsabnahme (-abfuhr) mit Lust identifiziert. In den Schriften nach 1920 büßt der Begriff bei Freud aber jeglichen psychologischen Stellenwert ein. Weiterhin verfolgt der Artikel den Begriff durch die Psychologie des 20. Jhs. Eine eigene Analyse des pysikalischen Spannungsbegriffes hingegen fehlt.
Jüngster Literaturhinweis 1992.

Siehe auch:

  • Schönpflug, U.: (Art.) Entspannung, in: Historisches Wörterbuch der Philosophie. Hg. v. J. Ritter u. K. Gründer. Bd. 2, Basel/Stuttgart, 1972, Sp. 549.

Sonstige Literatur

The ICI's inaugural core project is called Tension/Spannung. The expression ‘tension’ appears in manifold contexts with diverse meanings. We speak of social, religious, electrical, sexual, and creative tension. In all these cases, tension refers to a static but unstable state. Such a state is on the verge of a dynamic process that may be destructive as well as productive. Tension provides the condition for transformations, but determines neither their beginning nor outcome. As a state of undecided potentiality, tension promises us agency and demands our involvement, while also captivating us aesthetically. By exploring the critical role of tension, the ICI’s inaugural project also seeks to reflect upon the Institute’s mission.
  • Barthel, Ernst: Die Welt als Spannung und Rhythmus. II. Teil: Ästhetik. Leipzig, 1928.
    • Rezension: Zeitschr. für Ästhetik u. allgem. Kunstwissenschaft 24 (1928) S. 139-140.
  • Büchler, Karl: Die ästhetische Bedeutung von Spannung. Zeitschrift für Ästhetik und allgemeine Kunstwissenschaft 3 (1959) S. 207-254.
  • Ischreyt, Heinz: „Entspannung“. Begriff und Schlagwort. Deutsche Studien 7 (1969) S. 340-345.

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