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begriffe:selektion

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 |**1868**|Darwin, Charles: The Variation of Animals and Plants under Domestication, London 1868, Bd. II, 20. Kap., 193f: Darwins Prinzip der Selektion: "Zuchtwahl als [...] ausschlaggebenden Kraft", welche "die Natur zur Erzeugung von Species an[wendet]". Zit n. Peter McLaughlin und Hans-Jörg Rheinberger: Darwin und das Experiment, in: Darwin und die Evolutionstheorie, hg. v. K. Bayertz u.a., Köln 1982, S. 34: „Das Prinzip der Selektion mag schicklich in drei Arten eingeteilt werden. Methodische Selektion ist diejenige, die einen Menschen leitet, der sich systematisch bemüht, eine Zucht gemäß einem vorher bestimmten Standard zu verhindern. Unbewusste Selektion ist diejenige, die sich ergibt, wenn Menschen natürlicherweise die wertvollsten Individuen erhalten und die weniger wertvollen vernichten […] Schließlich haben wir Natürliche Selektion, die impliziert, dass die Individuen, die den komplexen und im Laufe der Zeit sich verändernden Bedingungen, denen sie ausgesetzt sind, am besten angepasst sind, im allgemeinen überleben und ihre Art fortpflanzen.“| |**1868**|Darwin, Charles: The Variation of Animals and Plants under Domestication, London 1868, Bd. II, 20. Kap., 193f: Darwins Prinzip der Selektion: "Zuchtwahl als [...] ausschlaggebenden Kraft", welche "die Natur zur Erzeugung von Species an[wendet]". Zit n. Peter McLaughlin und Hans-Jörg Rheinberger: Darwin und das Experiment, in: Darwin und die Evolutionstheorie, hg. v. K. Bayertz u.a., Köln 1982, S. 34: „Das Prinzip der Selektion mag schicklich in drei Arten eingeteilt werden. Methodische Selektion ist diejenige, die einen Menschen leitet, der sich systematisch bemüht, eine Zucht gemäß einem vorher bestimmten Standard zu verhindern. Unbewusste Selektion ist diejenige, die sich ergibt, wenn Menschen natürlicherweise die wertvollsten Individuen erhalten und die weniger wertvollen vernichten […] Schließlich haben wir Natürliche Selektion, die impliziert, dass die Individuen, die den komplexen und im Laufe der Zeit sich verändernden Bedingungen, denen sie ausgesetzt sind, am besten angepasst sind, im allgemeinen überleben und ihre Art fortpflanzen.“|
 |**1971**|Jakobson, Roman: Linguistik und Poetik. In: J. Ihwe (Hg.), Literaturwissenschaft und Linguistik. Ergebnisse und Perspektiven, 3 Bde., Frankfurt am Main, 1971, S. 512-548: Jakobson bestimmt hier den Doppelcharakter der Sprache als Gleichzeitigkeit von Kombination und Selektion von Zeichen.| |**1971**|Jakobson, Roman: Linguistik und Poetik. In: J. Ihwe (Hg.), Literaturwissenschaft und Linguistik. Ergebnisse und Perspektiven, 3 Bde., Frankfurt am Main, 1971, S. 512-548: Jakobson bestimmt hier den Doppelcharakter der Sprache als Gleichzeitigkeit von Kombination und Selektion von Zeichen.|
-|**2008**|Regazzoni, Lisa: Selektion und Katalog. Zur Konstruktion der Vergangenheit bei Homer, Dante und Primo Levi. München, 2008, S. 57ff.: „Anders als der ältere Begriff Auslese entstammt Selektion der jüngsten deutschen Sprachgeschichte. Im Zuge der Anwendung der darwinistischen Theorie auf kausalgesetzlich interpretierte gesellschaftliche Auswahlmechanismen wurde der Begriff in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts als Übernahme des englischen (natural) selection (vom lateinischen selectio) zunächst von Darwin in die Soziologie eingeführt. Obwohl das Wort im 20. Jahrhundert eine allgemeinere Bedeutung annahm, benutzten die Sozialdarwinisten es bereits in einem sehr verdächtigen Sinne. Die Geschichte seiner deutschen Verwendung endet, wie im ersten Abschnitt veranschaulicht wurde, auf der Rampe der Konzentrations- und Vernichtungslager. Heute ist der Euphemismus, der das Schicksal der Deportierten verhüllt, ein im kollektiven Bewusstsein der Deutschen geächteter Begriff. Kein universales, abstraktes Gesetz hat das Wort verdrängt, sondern die Empfindlichkeit jedes einzelnen Deutschen, der aus Taktgefühl seinen Gebrauch vermeidet; lediglich als technischer Terminus, im Bereich der Genetik und der Linguistik, findet er nun Verwendung. Das Wort evoziert in primis immer noch das Bild von der Selektion auf der Rampe. \\ Wie verschiedene andere Begriffe wurde Selektion durch den Nationalsozialismus, der ihn zum Komplizen seiner Verbrechen gemacht hat, kompromittiert. Dieser Terminus gehört zu den Wörtern, die das Nachkriegsbewusstsein der Deutschen aus der Alltagssprache eliminiert und einer Art damnatio memoria übergeben hat. Infolge des „Entnazifizierungsprozesses“, der sie als geschichtliche Mahnmale hat verstummen lassen, werden jene Bezeichnungen nur noch wachgerufen, wenn sie bei der Rekonstruktion nationalsozialistischer Gräuel Zeugnis ablegen sollen.\\ Angesichts dieser Prämissen bestürzt das wiederholte auftreten des Wortes Selektion in den nach Auschwitz geschriebenen Seiten des Philosophen und „Halbjuden“ Hans Blumenberg.\\ In Arbeit am Mythos, 1979 veröffentlicht, nimmt Blumenberg eine schwindelerregende begriffliche Korrektur vor: er befreit das Wort Selektion vom „Missverständnis“ des Sozialdarwinismus und rehabilitiert die Selektion als Mechanismus, der im Laufe der Geschichtebedeutsamkeit hervorbringt. […] Weder entschärft Blumenberg das Wort Selektion noch verdrängt er es aus seinem Bewusstsein. [..] Er will den Terminus Selektion nicht außer Gebrauch kommen lassen, ihn somit auch nicht der Vergessenheit anheim geben, sondern dessen authentische Bedeutung rekonstruieren und eine Korrektur an seiner historischen Fehldeutung vornehmen. Er streicht den Begriff nicht aus seinem Wortschatz, sondern entlastet und befreit ihn von irrtümlichen Zuschreibungen.\\ Die Anwendung der Evolutionstheorie auf das menschliche Wesen hat dem Sozialdarwinismus das Prinzip geliefert, um Kontroll- und Selektionsstrategien innerhalb der Gesellschaft zu legitimieren. Daraus ist das „Missverständnis“ entstanden, das genau „in der Verengung des Selektionsbegriffs auf seine biologische Erklärungsleistung“  besteht. […] Nicht der Mensch als biologisches Wesen - korrigiert Blumenberg - ist der Selektion und dem Anpassungsprozess zu unterwerfen, sondern seine Artefakte und Instrumente, für die allein das survival of the fittest gilt..“|+|**2008**|Regazzoni, Lisa: Selektion und Katalog. Zur Konstruktion der Vergangenheit bei Homer, Dante und Primo Levi. München, 2008, S. 57ff.: \\ „Anders als der ältere Begriff Auslese entstammt Selektion der jüngsten deutschen Sprachgeschichte. Im Zuge der Anwendung der darwinistischen Theorie auf kausalgesetzlich interpretierte gesellschaftliche Auswahlmechanismen wurde der Begriff in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts als Übernahme des englischen (natural) selection (vom lateinischen selectio) zunächst von Darwin in die Soziologie eingeführt. Obwohl das Wort im 20. Jahrhundert eine allgemeinere Bedeutung annahm, benutzten die Sozialdarwinisten es bereits in einem sehr verdächtigen Sinne. Die Geschichte seiner deutschen Verwendung endet, wie im ersten Abschnitt veranschaulicht wurde, auf der Rampe der Konzentrations- und Vernichtungslager. Heute ist der Euphemismus, der das Schicksal der Deportierten verhüllt, ein im kollektiven Bewusstsein der Deutschen geächteter Begriff. Kein universales, abstraktes Gesetz hat das Wort verdrängt, sondern die Empfindlichkeit jedes einzelnen Deutschen, der aus Taktgefühl seinen Gebrauch vermeidet; lediglich als technischer Terminus, im Bereich der Genetik und der Linguistik, findet er nun Verwendung. Das Wort evoziert in primis immer noch das Bild von der Selektion auf der Rampe. \\ Wie verschiedene andere Begriffe wurde Selektion durch den Nationalsozialismus, der ihn zum Komplizen seiner Verbrechen gemacht hat, kompromittiert. Dieser Terminus gehört zu den Wörtern, die das Nachkriegsbewusstsein der Deutschen aus der Alltagssprache eliminiert und einer Art damnatio memoria übergeben hat. Infolge des „Entnazifizierungsprozesses“, der sie als geschichtliche Mahnmale hat verstummen lassen, werden jene Bezeichnungen nur noch wachgerufen, wenn sie bei der Rekonstruktion nationalsozialistischer Gräuel Zeugnis ablegen sollen.\\ Angesichts dieser Prämissen bestürzt das wiederholte auftreten des Wortes Selektion in den nach Auschwitz geschriebenen Seiten des Philosophen und „Halbjuden“ Hans Blumenberg.\\ In Arbeit am Mythos, 1979 veröffentlicht, nimmt Blumenberg eine schwindelerregende begriffliche Korrektur vor: er befreit das Wort Selektion vom „Missverständnis“ des Sozialdarwinismus und rehabilitiert die Selektion als Mechanismus, der im Laufe der Geschichtebedeutsamkeit hervorbringt. […] Weder entschärft Blumenberg das Wort Selektion noch verdrängt er es aus seinem Bewusstsein. [..] Er will den Terminus Selektion nicht außer Gebrauch kommen lassen, ihn somit auch nicht der Vergessenheit anheim geben, sondern dessen authentische Bedeutung rekonstruieren und eine Korrektur an seiner historischen Fehldeutung vornehmen. Er streicht den Begriff nicht aus seinem Wortschatz, sondern entlastet und befreit ihn von irrtümlichen Zuschreibungen.\\ Die Anwendung der Evolutionstheorie auf das menschliche Wesen hat dem Sozialdarwinismus das Prinzip geliefert, um Kontroll- und Selektionsstrategien innerhalb der Gesellschaft zu legitimieren. Daraus ist das „Missverständnis“ entstanden, das genau „in der Verengung des Selektionsbegriffs auf seine biologische Erklärungsleistung“  besteht. […] Nicht der Mensch als biologisches Wesen - korrigiert Blumenberg - ist der Selektion und dem Anpassungsprozess zu unterwerfen, sondern seine Artefakte und Instrumente, für die allein das survival of the fittest gilt..“|
 ==== B. Sekundärmaterial ==== ==== B. Sekundärmaterial ====
 === Begriffsgeschichtliche Arbeiten === === Begriffsgeschichtliche Arbeiten ===
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   * Lewens, T.: Natural selection then and now. In: Biol. Rev. Camb. Philos. Soc. 85, 2010, S. 829-835.   * Lewens, T.: Natural selection then and now. In: Biol. Rev. Camb. Philos. Soc. 85, 2010, S. 829-835.
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 +  * Lewens, T.: The Natures of Selection. In: The British Journal for the Philosophy of Science, 61/2, 2010, S. 313-335. 
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   * Manning, R.N.: Biological function, selection, and reduction. In: British Journal for the Philosophy of Science 48, 1997, S. 69-82.   * Manning, R.N.: Biological function, selection, and reduction. In: British Journal for the Philosophy of Science 48, 1997, S. 69-82.
  
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   * Schurig, V.: Mechanischer und dialektischer Materialismus in der Biologie. Die philosophischen Konsequenzen in der Selektionstheorie. In: Hübner, K. und A. Menne, A. (Hg.). Natur und Geschichte. X. Deutscher Kongress für Philosophie. Meiner, Hamburg, 1973, S. 423-428.   * Schurig, V.: Mechanischer und dialektischer Materialismus in der Biologie. Die philosophischen Konsequenzen in der Selektionstheorie. In: Hübner, K. und A. Menne, A. (Hg.). Natur und Geschichte. X. Deutscher Kongress für Philosophie. Meiner, Hamburg, 1973, S. 423-428.
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 +  * Shanahan, Timothy: Phylogenetic inertia and Darwin’s higher law. In: Studies in History and Philosophy of Science Part C, 42/1 (2011), S. 60-68. 
  
   * Skipper, R.A. Jr. und R.L. Millstein: Thinking about evolutionary mechanisms: natural selection. In: Studies in History and Philosophy of Biological and Biomedical Sciences 36, 2005, S. 327-347.   * Skipper, R.A. Jr. und R.L. Millstein: Thinking about evolutionary mechanisms: natural selection. In: Studies in History and Philosophy of Biological and Biomedical Sciences 36, 2005, S. 327-347.
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   * Stephens, C.: Natural selection. In: Matthen, M. und C. Stephens (Hg.). Philosophy of Biology, Amsterdam, 2007, S. 111-127.   * Stephens, C.: Natural selection. In: Matthen, M. und C. Stephens (Hg.). Philosophy of Biology, Amsterdam, 2007, S. 111-127.
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 +  * Stegmann, Ulrich E.: What can natural selection explain? In: Studies in History and Philosophy of Science Part C, 41/1 (2010), S. 61-66.
  
   * Vorzimmer, P.: Darwin, Malthus, and the theory of natural selection. In: Journal of the History of Ideas 30, 1969, S. 527-542.   * Vorzimmer, P.: Darwin, Malthus, and the theory of natural selection. In: Journal of the History of Ideas 30, 1969, S. 527-542.
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