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begriffe:masse

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Masse


griech.maza (Gerstenbrot) lat. massa (Klumpen aus Teig oder Kleister)
franz. masse engl. mass/ matter / crowd
Gegenbegriffe Einzelnes /-r
WortfeldKonglomerat, Aggregat von Körpern

Disziplinäre Begriffe

  • Allgemein: Große Quantitäten und Ansammlungen auf relativ engem Raum. Auch: Eine Menge gleichartiger (unzählbarer) Gegenstände, Dinge (z.B. Waren).
  • Physik: Menge eines Stoffes oder Körpers. Die Einheit für Masse ist Kilogramm (kg)/ Ursache der Gewichtskraft und Maß der Trägheit eines Körpers.
  • Soziologie: Eine große, räumlich zusammenhängend agierende Anzahl an Menschen.
  • Elektronik: Ein leitender Körper, der im Regelfall mit dem Potential 0 Volt definiert wird und das Bezugspotential für alle Signal- und Betriebsspannungen darstellt.
  • Geologie: Metaphorisch im Sinne von 'Massiv' gebraucht (Gesteinsmassen von Gebirgen).

Material

A. Primärmaterial

1739Zedler, Johann Heinrich: (Art.) Maße, in: Grosses vollständiges Universal Lexicon aller Wissenschafften und Künste, Bd. 19, S. 1031.
1793Der Ausdruck Masse wird im Deutschen erstmals 1793 in der Übertragung des Revolutionsberichts von Edmund Burke für 'crowd' verwandt: "Wenn die Gesellschaft bestehen soll, ist es nicht hinlänglich, daß die Leidenschaften des einzelnen gehorchen: auch wenn der vereinigte Haufen, auch wenn eine große Masse wirkt, ist es schlechterdings notwendig, daß ihren Neigungen oftmals Widerstand geleistet, ihrem Willen Einhalt getan, ihrer Begierde eine Grenze gesetzt werde". Zit. nach Metzler Lexikon Ästhetik, Stuttgart, 2006, S. 246.
1836Gehler, Johann Samuel Traugott: (Art.) Masse. In: Johann Samuel Traugott Gehler’s Physikalisches Wörterbuch. Bd. 6,2. Leipzig, 1836. S. 1392-1393.
1840Edgar Alan Poe: The Man of the Crowd.
1843Bruno Bauer: Die Gattung und die Masse.
1895Gustave Le Bon: Psychologie der Massen.
1921Sigmund Freud: Massenpsychologie und Ich-Analyse.
1926José Ortega y Gasset: Der Aufstand der Massen.
1927Siegfried Kracauer: Das Ornament der Masse.
1960Canetti, Elias: Masse und Macht.
1952David Riesman: The Lonely Crowd. A Study of the changing american caracter.

B. Sekundärmaterial

Begriffsgeschichtliche Arbeiten

  • * Günzel, Stephan: Der Begriff der 'Masse' im ästhetisch-literarischen Kontext. Einige signifikante Positionen, in: AfB 45 (2003), S. 151-166.
  • Günzel, Stephan: Der Begriff der 'Masse' in Philosophie und Kulturtheorie (II). In: Dialektik - Zeitschrift für Kulturphilosopie 1 (2005) S. 123-140. Volletxt
  • Jammer, M., Pankoke, E.: (Art.) Masse/Massen, in: Historisches Wörterbuch der Philosophie. Hg.v. J. Ritter u. K. Gründer. Bd. 5, Basel/Stuttgart, 1980, Sp. 825 - 832.
Inhalt: Wissenschafts- und Sozialgeschichtlicher Artikel. Grundlegend unterschieden werden zu Beginn zwei Masse- bzw. Massenbegriffe: Der naturphilosophische Massebegriff, der Menge oder Materie bedeutet und der physikalische im Sinne des Trägheitswiderstandes gegen beschläunigende Kräfte. Nachfolgend wird die Begriffsgeschichte seit der Antike geschildert. Bei Plotin, Proklos und Philon bezieht sich der Begriff auf die Inaktivität der Materie - im Gegensatz zur Spontanität des Geistes. Schöpfer des modernen Massebegriffes ist J. Kepler (Bewegungswiderstand im Verhältnis zur Quantität der Materie), jedoch ist eine quantitative Festlegung der Masse erst mit der Entstehung der klassischen Mechanik bei Newton (Prinzipien) möglich. In der Relativitätstheorie wird schließlich die Aquivalenz von Masse und Energie aufgezeigt.
Politisch-sozial tritt der Begriff während der französischen Revolution in Erscheinung. Ein Jahr später, durch die Burke-Übersetzung 'Betrachtungen über die französische Revolution' durch Gentz erscheint der Begriff im Deutschen als gesellschaftskritische Kategorie. In diesem Sinne wird der Begriff bedeutend in Zusammenhang mit der sozialen Frage, der sozialistischen Theoriebildung und der um 1900 auftretenden Massen-Psychologie, die das (psychologische) Verhältnis von Masse und Macht bestimmen möchte (E. Canetti). Neue Impulse der (größtenteils kritischen) Massenpsychologie erhält diese durch die Psychoanalyse. Kulturkritisch wird Vermassung als negative Schlüsselfigur der Moderne thematisiert (Ortega y Gasset). In der Soziologie ist der Begriff wegen der starken ideologischen Aufladung fragwürdig geworden, wird aber weiterhin z.B. im Begriff der Massenmedien verwendet.
Die Verwendung des Begriffes in der Elektronik und der Geologie wird nicht erörtert. Jüngster Literaturhinweis. 1977.
  • Koselleck, Reinhard: Abschn. 7: Der Massenbegriff in der politisch-sozialen Sprache, in: (Art.) Volk, Nation, in: GG, Bd. 7, S. 366 ff., 381 f.

Siehe auch:

  • Jammer, M.: (Art.) Gravitation, in: Historisches Wörterbuch der Philosophie. Hg.v. J. Ritter u. K. Gründer. Bd. 3, Basel/Stuttgart, 1974, Sp. 864 - 866.

Sonstige Literatur

  • Bachelard, Gaston: Die Philosophie des Nein. Versuch einer Philosophie des neuen wissenschaftlichen Geistes, FRankfurt a.M. 1980 [zum 'epistemologischen Profil' von 'Masse', S. v.a. S. 34-53.]
  • Banks, Erik C.: Ernst Mach's “new theory of matter” and his definition of mass. Studies in History and Philosophy of Science Part B: Studies in History and Philosophy of Modern Physics 33/4 (2002) S. 605-635.
  • Brush, Stephen G.: Statistical Physics and the Atomic Theory of Matter. From Boyle and Newton to Landau and Onsager. Princetown, 1983.
    • Rezension: Erwien Hiebert, Archives Internationales d’Histoire des Sciences 38 (1988) S. 342-343.
  • Gamper, Michael: Masse lesen, Masse schreiben. Eine Diskurs- und Imaginationsgeschichte der Menschenmenge 1765-1930, München 2007.
  • Gamper, Michael und Peter Schnyder: Kollektive Gespenster. Die Masse, der Zeitgeist und andere unfaßbare Körper. Freiburg i. Br. 2006.
  • Gamper, Michael: „Hoch flattern unsre Fahnen/ Sie führen uns zum Sieg“. Zur literarischen Kulturgeschichte von Fahnen und Massen in Militär, Revolution und Sport, in: Weiss auf Rot. Das Schweizer Kreuz zwischen nationaler Identität und Corporate Identity. Hg. Elio Pellin und Elisabeth Ryter. Zürich, 2004. S. 67-79.
  • Gamper, Michael: Dichtung als Medium der Menschenmenge. Literatur und ihre Funktion für den ‚Masse‘-Diskurs. In: Ästhetiken und Politiken der Masse. Hg. von Susanne Lüdemann München [im Druck] (2009).
  • Graham, Daniel W.: Aristole’s Discovery of Matter. Archiv für Geschichte der Philosophie 66 (1984) S. 37-51.
  • Hall, A. Rupert and Marie Boas Hall: Newton's Theory of Matter Isis 51 (1960) S. 131-144.
  • Janich, Peter: Ist Masse ein "theoretischer Begriff"? Zeitschrift für allgemeine Wissenschaftstheorie 8 (1977) S. 302-314.
  • Jammer, Max: Concepts of Mass in classical and modern Physics. Cambridge, 1961. [dt. Der Begriff der Masse in der Physik, Darmstadt 1964]
    • Rezension: André Metz, Revue de Synthèse 86 (1965) S. 421-425.
  • Jammer, Max: Concepts of mass in contemporary physics and philosophy. Princeton, 2000.
    • Rezension: Roberto Torretti Studies in History and Philosophy of Science Part B: Studies in History and Philosophy of Modern Physics 33/4 (2002) S. 730-735.
  • Johnson, Harold J.: Three Ancient Meanings of Matter: Democritus, Plato, and Aristotle. Journal of the History of Ideas 28.1, (1967) S. 3-16. Vorschau
  • Kerferd, G. B.: Anaxagoras and the Concept of Matter before Aristotle. In: The Pre-Socratics: A Collection of Critical Essays. Hg. von Alexander P.D. Mourelatos. Anchor Doubleday, 1974. S. 489-503.
  • König, Helmut: Zivilisation und Leidenschaften. Die Masse im bürgerlichen Zeitalter, Reinbek 1992.
  • Koselleck, Reinhart: Volk, Nation, Nationalismus, Masse. In: Geschichtliche Grundbegriffe. Historisches Lexikon zur politisch-sozialen Sprache in Deutschland. Hg. von Otto Brunner, Werner Conze u. Reinhart Koselleck. Stuttgart, 1992. S. 141-431.
  • Lützen, Jeseper: A Matter of Matter or A Matter of Space? Heinrich Hertz’s Image of Mass in his Prinzipien der Mechanik. Archives Internationales d’Histoire des Sciences 49 (1999) S. 103-121.
  • Mendoza, Eric: The Kinetic Theory of Matter 1845-1855. Archives Internationales d’Histoire des Sciences 32 (1982) S. 184-220.
  • Sikdar, J.C.: Indian Concepts of Matter. Indian Journal of History of Science 14/2 (1979) S. 122-133.
  • Sinnige, Th. G.: Matter and Infinity in the Presocratic Schools and Plato. Assen, 1968.
  • Steinle, Friedrich: Was ist Masse? Newtons Begriff der Materiemenge. Philosophia Naturalis 29 (1992) S. 94-117.
  • Suppes, Patrick: Aristotle’s concept of matter and ist relation to modern concepts of matter. Synthese 28 (1974) S. 27-50.
  • Tisini, Tayeb: Die Materieauffassung in der Islamisch-arabischen Philosophie des Mittelalters. Berlin, 1972.
  • Welwei, Karl-Wilhelm: Demokratie und Masse bei Polybios. Helmut Berve in Verehrung zum siebzigsten Geburtstag. Historia: Zeitschrift für Alte Geschichte 15/3 (1966) S. 282-301.
  • Zylberberg, J.: Masses et postmodernité. Paris, 1986.

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