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Netz

Auch: Netzwerk, Vernetzung

Siehe auch: Gewebe

Von Alexander Friedrich


lat. engl. net, network, grid
franz. réseau Gegenbegriff
WortfeldNetzwerk, Vernetzung, Akteur-Netzwerk-Theorie

Disziplinäre Begriffe

1. Einleitung

Der Begriff des Netzwerks hat während des 20. Jahrhunderts bis in die Gegenwart hinein eine bemerkenswerte Karriere erfahren. Während sich in den vielen wissenschaftlichen Disziplinen Netzwerktheorien und -konzepte etabliert haben, hat sich die Rede von Netzwerken im alltäglichen Sprachgebrauch zur Bezeichnung von Technologien und Infrastrukturen, sozialen und institutionellen Beziehungen, Firmen- und Medienverbünden durchgesetzt. Im selben Zuge ist Vernetzung zum Gebot des Zeitgeistes avanciert – sei es im Hinblick auf Wirtschaft, Technologie und Politik, sei es im Bereich persönlicher oder beruflicher Lebensplanung. So resümiert das Glossar der Gegenwart 2004, dass in dem »Schlüsselbegriff der Gegenwart« Deskription und Präskription zusammenfallen.1) Die Bedeutung des Netzwerk-Begriffs ist in der Forschung unterschiedlich bewertet worden. Während der Kulturtheoretiker Hartmut Böhme ›Netz‹ und ›Netzwerk‹ den Status von »kulturellen Leitmetaphern der modernen Gesellschaft und ihrer Wissenschaften« zuerkennt,2) sieht der Medienwissenschaftler Erhard Schüttpelz im ›Netzwerk‹ einen »absoluten Begriff«.3) Dazwischen fächern sich die Klassifizierungen der ambivalenten Denkfigur in einem breiten Spektrum auf: zwischen ›kulturellem Paradigma‹4), ›Begriffsfetisch‹5), ›moderner Pathosformel‹6), ›inflationärem Modewort‹7), ›transdisplinärem Konzept‹8) und ›epistemischem Ding‹9). Die Besonderheit seines universellen Gebrauchs und die hohen Erwartungen an den Begriff, dem zugleich auch eine große Skepsis entgegengebracht wird, machen eine genauere Differenzierung nicht nur seiner verschiedenen Bedeutungen, sondern auch seiner Verwendungsweisen erforderlich. Dass die Metaphorik des Netzes und sich davon ableitende Begriffsbildungen weitaus älter und komplizierter sind, als die anhaltende Konjunktur von Netzwerk-Konzepten seit den 1980er Jahren vermuten ließe, wurde an verschiedener Stelle bereits dargelegt.10) Dabei wird oft die Kontinuität bzw. eine schon Jahrhunderte zurückreichende Tradition ›vernetzten Denkens‹ gegenüber dem Nimbus radikaler Innovation hervorgehoben, der sich mit den modernen Netzwerktheorien und -konzepten verbindet. Dem Befund der Kontinuität einer geschichtsträchtigen Denkfigur und Kulturtechnik muss indessen die Tatsache der Diskontinuität ihrer Geltung in Rechnung gestellt werden. Gelangte die Metapher bzw. das Symbol des Netzes bereits in ältester Zeit zu einer mythologischen, poetischen und philosophischen Bedeutung, etwa als Symbol der Macht oder des Lebenszusammenhangs, so ist sie heute in aller Munde, wenn sie sich auf biologische, physikalische, technische und soziale Verhältnisse bezieht. Mit der Frage nach der Ubiquität und Universalität des Netzwerkbegriffs verbindet sich daher auch die Frage, wie aus der Metapher ein derart umfassender Begriff werden konnte: Was bedingte die Terminologisierung der Trope und was verbindet den Terminus noch mit seinem metaphorischen Ursprung? Die »Genealogie und Karriere des Netzwerkkonzeptes« als eines »absoluten Begriffs« erklärt der Medienwissenschaftler Erhard Schüttpelz zunächst aus einer Kreuzung zweier verschiedener Netzwerkbegriffe, die durch die Medientheorie der 1950er Jahre miteinander in Zusammenhang gebracht wurden. »Der eine Begriff«, so Schüttpelz, »entsteht aus der Vogelperspektive, ›von oben‹, und richtete sich zuerst nur auf […] Infrastruktur[en]. Der andere Begriff fragt nach den Sozialbeziehungen von Einzelpersonen und versucht diese, ›von unten‹, aus ihren eigenen Aussagen und Abläufen zu rekonstruieren.«11) In der Kreuzung des »makrotechnischen« mit dem »mikrosoziologischen« Netzwerkbegriff wurde das universale Netzwerkkonzept bestimmend für das Welt- und Selbstverständnis »politischer und ökonomischer Globalisierungseliten der frühen 1990er-Jahre«.12) Durch die Popularisierung des Internet sei der Begriff des Netzwerkes schließlich in den alltäglichen Sprachgebrauch eingewandert.13) Während die Bedeutung des neuen Mediums für die kulturelle Durchsetzung und Akzeptanz des Begriffs generell unumstritten ist, so bleibt doch die Frage, warum so unterschiedliche Dinge wie soziale Verhältnisse, technische Infrastrukturen, wirtschaftliche Beziehungen und digitale Medientechnologien überhaupt als Netzwerke bezeichnet wurden.

2. Konturen des Begriffs

Was heute selbstverständlich scheint, erweist sich vor allem in der Retrospektive als bezeichnend: Während aus heutiger Sicht auch die ältesten Kulturen schon darüber verfügt haben, was wir heute als ›Netzwerke‹ und ›Vernetzungstechniken‹ bezeichnen, so ist die Verwendung des Begriffs selbst doch ein spezifisch modernes Phänomen. In wissenschaftlichen Kontexten bezeichnet der Begriff des N. ganz allgemein die Struktur und Dynamik komplexer Zusammenhänge. In dieser Eigenschaft empfiehlt sich das Modell des Netzwerkes als ein »transdisziplinäres Konzept«14) für die Beschreibung und Erforschung heterogener Phänomene. Jedoch lassen sich verschiedene Verwendungsweisen unterscheiden, die sich grob auf einer Achse zwischen zwei Polen anordnen lassen: Um einen ›formalistischen‹ Pol gruppieren sich die Ansätze einer graphentheoretisch fundierten Network Science, die natürliche wie kulturelle Zusammenhänge mittels mathematischer Netzwerk-Modelle als berechenbare Strukturen beschreiben. Ansätze dieses Typs finden sich vor allen in empirisch oder quantitativ arbeitenden Forschungsansätzen. Demgegenüber hat sich um einen ›rhizomatischen‹ Pol ein poststrukturalistisches Netzwerk-Denken etabliert, das die Struktur komplexer Zusammenhänge auf das Wechselspiel dynamischer Mannigfaltigkeiten zurückführen will. Beide Pole sind indessen keine ausschließlichen oder gegensätzlichen Positionen, vielmehr Fluchtpunkte unterschiedlicher Theoriebildungsprozesse, zwischen denen zum einen Wechselbeziehungen bestehen können; zum anderen lässt sich die moderne Bedeutung des Netzwerkbegriffs auch oder gerade jenseits expliziter Theoriebildungen nicht unabhängig von seinem technischen, kulturellen und medialen Kontext betrachten. Wie kamen sie, bevor also die verschiedenen Netzwerk-Konzepte miteinander ›gekreuzt‹ werden konnten, zu allererst zu ihrem Namen? – Bevor dieser Frage weiter nachzugehen sein wird, sollen zumindest die wichtigsten Aspekte und Konturen des Netzwerkbegriffs kurz umrissen werden.

2.1 Topologische Netze

Der formalistische Netzwerkbegriff beruht auf den Elementen ›Punkt‹ bzw. ›Knoten‹ (node oder vertice), ›Linie‹ bzw. ›Kante‹ (link oder edge) und ›Masche‹ (mesh). Die ›Knoten‹ repräsentierten beliebige diskrete Entitäten, etwa Atome, Zellen, Menschen, Maschinen, Neuronen, Texte oder Städte. Die Linien drücken die Beziehung oder vielmehr einen Aspekt der Beziehung zwischen diesen Entitäten aus, etwa physikalische Kräfte, biologische Verwandtschaften, soziale Verhältnisse, textuelle Referenzen, wirtschaftliche Beziehungen oder auch materielle Verbindungen: Kabel, Adern, Nerven und Straßen. Das dritte Element von Netzen, die ›Masche‹, ist das Resultat einer Verbindung von mehr als zwei ›Knoten‹ zu einem Element höherer Ordnung. Die Zugehörigkeit eines Punktes zu mehreren Maschen ist ein wesentliches Strukturmerkmal von Netzen. Maschen ermöglichen Verbindungen einzelner Elemente eines Ganzen, die weder linear noch über einen gemeinsamen Mittelpunkt verlaufen müssen. Obwohl N. auch zentralistisch oder baumförmig organisiert sein können, gilt es als eine der wichtigsten Eigenschaften von N., dass sie Organisationsformen ohne Zentrum mit einer Vielzahl interner Querverbindungen zwischen den einzelnen Knoten bilden können. Die Gesamtstruktur eines N. wird auch als ›Topologie‹ bezeichnet.15) Die allgemeine Anwendbarkeit topologischer Netzwerkmodelle und die Popularisierung des Begriffs haben einen verbreiteten Konsens darüber befördert, dass Netzstrukturen und -dynamiken kein spezifisches Phänomen moderner Gesellschaften, sondern ein grundlegendes Phänomen der Welt überhaupt seien. So verspricht sich die aufstrebende Network Science von einer Entwicklung und Anwendung mathematischer Netzwerkmodelle inzwischen grundlegende Einsichten in »the properties of our weblike universe.«16) Zwei topologischen Typen gilt dabei ein besonderes Forschungsinteresse: den ›skalenfreien‹ Netzwerken (scale-free networks) und den ›Kleine-Welt‹ Netzwerken (small-world networks); beide zeichnen sich dadurch aus, dass privilegierte Knoten (hubs) bzw. Verbindungen (weak links) den Zusammenhang des Ganzen entscheidend bestimmen.17) Die Eigenschaften solcher Netzwerke wurden zunächst als soziales Phänomene entdeckt und zunehmend als Ursache zahlreicher Phänomene angesehen, etwa der Störanfälligkeit von Infrastrukturen, der Verbreitung von Seuchen und Krankheiten, der Zitationshäufigkeit wissenschaftlicher Artikel, der Stabilität biologischer Systeme und der Zugänglichkeit von Informationen oder ökonomischen Ressourcen.18)

2.2 Rhizomatische Netze

Grundsätzlich verschieden von dem topologischen Netzwerk-Modell ist der poststrukturalistische Netzwerkbegriff, der sich von Gilles Deleuzes und Felix Guattaris ›Rhizom‹ herleitet.19) Was in botanischen Zusammenhängen Knollengeflechte und Sprossachsen-Systeme bezeichnet, beschreibt hier ein komplexes »Gefüge« (agencement) heterogener Elemente. Anders als in den topologischen Netzen, die von bestehenden Punkten ausgehen, die gleichartige Entitäten einer bestimmten Klasse repräsentieren, »gibt es in einem Rhizom keine Punkte oder Positionen. Es gibt nur Linien«, die in ihrer prinzipiell grenzenlosen Ausbreitung »das Ganze wuchern« lassen.20) Auch wenn Deleuze/Guattari in ihren Überlegungen Bezug auf graphentheoretische Ansätze nehmen und Fragen nachgehen, die bis heute zu den Grundproblemen der Network Science gehören (z.B. die Synchronisation nicht-hierarchischer Systeme),21) entwickeln sie mit dem ›Rhizom‹ doch ein eigenständiges »Bild des Denkens«.22) Als Begriff nicht-modellhafter und nicht-hierarchischer Gefüge soll es eine Alternative zum ›Baum‹ als Metapher der Logik und Wissensorganisation darstellen.23) Dabei geht es den Autoren nicht darum, ein Modell durch ein anderes zu ersetzen, sondern vielmehr um eine, wenn auch entscheidende Korrektur; auch Bäume können Rhizome enthalten und Rhizomen können Bäume entwachsen.24) Ohne einen identischen Ursprung oder eine Einheit des Ganzen wird das Rhizom als eine stets im Werden begriffene Mannigfaltigkeit gedacht, in der es nur Übergänge, Konnexionen und Allianzen spontaner, prinzipiell chaotischer Bewegungen gibt, aus denen aber durchaus, zumindest zeitweise, stabile Gefüge hervorgehen können, die jedoch jederzeit unterbrochen, aufgelöst, modifiziert und wieder fortgesetzt werden können. Dabei können sie Verbindungen »zum Animalischen und Pflanzlichen, zur Welt, zur Politik, zum Buch, zu natürlichen und künstlichen Dingen«25) herstellen. Als nicht-dualistische Anti-These zu den Begriffen des ›Ursprungs‹, der ›Identität‹ und der ›Einheit‹ ist das Rhizom in Wissenschaftstheorie, Philosophie, Medienwissenschaft und den Kulturwissenschaften als ein ›Paradigma‹ der Postmoderne rezipiert worden.26) Als zwei Paradigmen des allgemeinen Verständnisses von N. unterscheiden sich der formalistische und der rhizomatische Netzwerkbegriff vor allem darin, dass die ›Topologie‹ der Struktur von Zusammenhängen und ihrer Formalisierung, das ›Rhizom‹ aber dem Prozess von Zusammenhängen und ihrer Transformation verpflichtet ist.27) Damit verbinden sich mit beiden Begriffen auch unterschiedliche Hoffnungen. Während der topologische Ansatz in erster Linie eine Erklärung und zum Teil auch Voraussagen über die Dynamik komplexer Zusammenhänge anstrebt, zielt der rhizomatische Ansatz auf die Kritik oder Überwindung normativer Wissensordnungen und Kulturtechniken. In unterschiedlicher Weise sind beide Ansätze an der Konjunktur des ubiquitären Netzwerkbegriffes beteiligt gewesen. Diese hat bisweilen zu einer Identifizierung von ›Rhizomen‹ und ›Netzwerken‹ geführt. Der Umstand mag einerseits dem Text von Deleuze und Guattari selbst geschuldet sein, der Rhizome unter Bezug auf graphentheoretische Termini auch als »Netzwerke (réseaux) von endlichen Automaten«28) beschreibt. Andererseits haben die seit den 1990ern unternommenen Versuche, digitale Netzwerke und Hypertexte als Rhizome zu fassen, auch einer synonymen Verwendung beider Begriffe Vorschub geleistet.29)

2.3 Akteur-Netzwerke

Gegen eine Identifizierung von Netzwerken und Rhizomen wurde an anderer Stelle auch Einspruch erhoben.30) Vor allem die breit rezipierte Akteur-Netzwerk-Theorie reklamiert einen Begriff von N. für sich, der sich auf die »Tradition eines rhizomatischen Denkens« beruft, die »von Deleuze, über Bergson, auf Diderot zurückführt«.31) So erklärt Bruno Latour, dass der Begriff des Netzwerks vor der Einführung des Internet noch ein produktiver Begriff gewesen sei, inzwischen aber jegliche kritische Schärfe verloren habe: »Früher bedeutete das Wort ›Netzwerk‹ noch eindeutig, wie Deleuzes und Guattaris Begriff ›Rhizom‹, eine Reihe von Transformationen – Übersetzungen, Umformungen –, die nicht von irgendeinem traditionellen Begriff der Sozialtheorie erfasst werden konnten. Mit der neuen Popularisierung des Wortes ›Netzwerk‹ bedeutet es nun Transport ohne Deformation, einen unmittelbaren und unvermittelten Zugang zu jeder Einzelinformation. Das ist genau das Gegenteil von dem, was wir meinten.«32) Gerade in der Akteur-Netzwerk-Theorie (ANT) kommt den ›Netzen‹ und ›Netzwerken‹ ein so zentraler wie umstrittener Status zu, der ihre Urheber immer wieder zu einer Revision des Begriffs nötigt. Wenn Latour den 1999 erfolgten »Rückruf« des Netzwerkbegriffs sechs Jahre später darauf noch einmal revidiert, so tut er dies nicht nur in Ermangelung eines besseren Begriffs, sondern stets auch unter strikter Distanzierung von der Terminologie neuerer Netzwerkforschungen, die sich entweder (1) auf Infrastrukturen wie Eisenbahnnetze, Kanalisationen oder das Internet beziehen oder (2) auf organisationssoziologische Phänomene der informellen Assoziation menschlicher Handlungsträger oder (3) auf deren Verbindung, wie etwa in Castells Begriff der ›Netzwerkgesellschaft‹, in dem beide Bedeutungen zu einem ›soziotechnischen‹ Begriff von Netzwerk verschmolzen werden.33) Mit dem Begriff des ›Akteur-Netzwerks‹ verbindet sich der radikale Anspruch, fundamentale Kategorien der modernen Wissenschaft zu überwinden, vor allem den Dualismus von Kultur und Natur. Wo die disziplinäre Einteilung der Welt in ›Fakten‹ (Reales), ›Macht‹ (Soziales) und ›Zeichen‹ (Sprache) sich als eine unangemessene Reduktion erweist, soll das ›Netzwerk‹ als eine heuristische Metapher den Zusammenhang dieser Bereiche problematisieren und das theoretische Vokabular zu seiner Beschreibung in Bewegung setzen.34) Hervorgegangen aus wissenschaftssoziologischen Forschungen (science studies), erklärt die ANT die Entstehung wissenschaftlicher und technischer Innovationen aus den komplexen Wechselbeziehungen zwischen menschlichen und nichtmenschlichen Akteuren. In Anlehnung an den Begriff des Rhizoms beschreibt das Konzept des ›Akteur-Netzwerks‹ komplexe Gefüge, deren Ursprung und Zweck sich weder auf subjektive Absichten (Konstruktionen), noch auf objektive Notwendigkeiten (Determinationen) zurückführen lassen. Daher nennt Latour die in solchen Netzwerken vorkommenden »Hybriden« mit einem Begriff des Philosophen und Wissenschaftstheoretikers Michel Serres auch ›Quasi-Objekte‹, denn sie nehmen weder die »Position von Dingen ein, noch die von Subjekten«.35) In dieser hybriden Verfassung erscheinen sie sowohl als Subjekt, als Objekt und als Diskurs und entziehen sich damit einer disziplinären Reduktion. »Sobald wir die Spur irgendeines Quasi-Objektes verfolgen«, erklärt Latour, ergibt sich ein ›Netzwerk‹ weiterer solcher Hybriden, die »bald als Ding, bald als Erzählung, bald als soziales Band« auftreten – »ohne sich je auf bloß Seiendes zu reduzieren«.36) Weil es ›Netzwerke‹ also nicht in einem ›objektiven‹ Sinne gibt, sondern immer nur in den Prozessen solcher Gefüge und deren Beschreibung, ist der Begriff des N. in der ANT sowohl das explicans der Theorie als auch ihr explicandum. Seine besondere Produktivität bezieht er gerade nicht aus seiner zunehmenden Formalisierung, sondern vielmehr daraus, dass er im beständigen Prozess seiner Terminologisierung immer wieder Momente signifikanter Metaphorisierungen durchläuft – etwa wenn Latour von den »Netzen« spricht, »in denen wir das Gewebe unserer Welt sehen.«37) Damit knüpft der Begriff an eine sehr alte, nachgerade archaische Metaphorik von ›Netz des Lebens‹ an, die sich in den Diskursen über die modernen Netzwerke immer wieder bekundet.38)

3. Metaphorische Ursprünge und frühe Terminologisierungen

Im ursprünglichen Sinne waren Netze Jagdwaffen und Fallen oder, geradezu antithetisch, Vorrichtung des Schützens und Bergens. In vielen Mythologien und auch in der antiken Tragödie begegnen uns Netze als Symbole der Gewalt oder der List.39) Die frühen Metaphorisierungen des Jagd- und Fangwerkzeugs beruhen auf der spezifischen Beziehung, die Netze zu Räumen und Körpern entfalten. Es ist als Waffe ebenso brauchbar wie als Falle; entscheidend dafür ist das Verhältnis der Bewegung von Netz und Beute: Als bewegte war die Beute vorher irgendwohin unterwegs, das Netz als Falle hindert sie am Fortkommen. Seine Struktur übersetzt die Eigenbewegung des mobilen Körpers in hemmende Kräfte, versetzen ihn in gänzlichen Stillstand. Mittels einer einfachen Vorrichtung werden die Bewegungen des Opfers dazu gebracht, sich gegen ihren Urheber zu richten. Als Waffe ist das Netz selbst Bewegtes. Das zu Fangende kann vorher stillgestanden haben; das Wurfnetz verhindert die Mobilität des Opfers durch plötzliche Umschlingung. So warf der ›Retiarius‹ (zu l. rēte, ›Netz‹) sein Krepelnetz nach dem Gegner, um ihn kampfunfähig zu machen. Dieser Gladiatortypus war ganz auf Schnelligkeit hin getrimmt: Ohne schwere Rüstung, nur mit Dreizack, Dolch und Netz ausgestattet, war seine Stärke die Beweglichkeit.40) Mobilität macht die Falle zur Waffe, und die Tarnung die Waffe zur Falle.

3.1 Antike Netzmetaphorik

Diese ursprüngliche Funktion von Netzen, das Fangen und Jagen, hat seit frühester Zeit zu seiner Metaphorisierung als Machtsymbol geführt. So geht nicht nur die berühmte Drohung der Perser, den Spartanern die Sonne mit Pfeilscharen zu verdunkeln, auf eine ursprünglich indische Metapher des ›Pfeilnetzes‹ zurück, das den Himmel bedeckt, während es sich auf den Feind herabsenkt.41) In den asiatischen Mythologien und im Zweistromland ist das Netz zudem seit uralter Zeit Waffe der Götter. Seit der Assyrerkönig Eannatum die sogenannte Geierstele hat errichten lassen – ein Siegesdenkmal, das den Gott Enlil ein mit Leichen gefülltes Netz in die Höhe haltend zeigt – ist dieses Bild immer wieder, bis in alttestamentliche Zeit hinein, verwendet worden. In den heiligen Schriften werden die Plagen, Sünden und das Unheil, das die Gottlosen und der Teufel selbst über die Welt bringen, als ein ›Netz‹ bezeichnet, vor dem die Gottesfürchtigen sich hüten sollen.42) Es symbolisiert aber auch die Strafe Gottes, mit der er die Abtrünnigen und Gesetzlosen züchtigt oder vernichtet.43) Schließlich versinnbildlicht es die Tücke der Sünde und der Hinterlist selbst, wenn sich die Gottlosen in ihr eigenes Netz verstricken, mit dem sie die Arglosen ins Verderben stürzen wollen. So wie das Netz die Bewegungen seiner Beute gegen sie selbst richtet, wird die Falle der Ungläubigen zu einer Waffe des Allmächtigen.44) Als Symbol der Macht erlangt das Netz auch militärisch und politisch an Bedeutung. So überliefert Herodot eine Anekdote, die den persischen Gebrauch der Netzmetaphorik, zumindest ihre griechische Wahrnehmung bezeugt: Nachdem der Lyderkönig Kroisos den Halys überschritten und sein Reich in den Untergang geführt hatte (546 v. Ch.), sollen die Ionier und Äolier Gesandte zu Kyros II. geschickt haben, um diesem ihre sofortige Unterwerfung anzubieten. Der aber soll den ehemaligen Untertanen des Kroisos mit der Fabel des Flötenspielers geantwortet haben, der zu den zappelnden Fischen in seinem Netz spricht, dass sie aufhören sollen zu tanzen; denn als er am Strand nach ihnen gepfiffen habe, hätten sie auch nicht kommen und tanzen wollen. Mit dem Gleichnis warf Kyros den Griechenstädten vor, seiner Aufforderung nicht gefolgt zu sein, sich seinem Reich anzuschließen, als Kroisos noch König war.45) Von Herodot und auch von Platon wird schließlich berichtet, dass der persische Feldherr Datis ein Netztreiben (sageneÚein) auf die griechischen Inselbewohner veranstaltet habe, um sie für ihre Beteiligung am Ionischen Aufstand (500-494 v. Ch.) zu bestrafen.46) Die persischen Soldaten sollen, vom Strand ausgehend sich an den Händen gefasst, die Inseln bis zu ihrer Mitte hin durchkämmt und alle Bewohner wie Fische in einem Zugnetz gefangen haben. Zwar sind keine Beweise für ein solches Ereignis überliefert, wohl aber die Wirkung der Metapher. Das Gerücht, das möglicherweise Teil einer persischen Einschüchterungsstrategie war, erfüllte die Athener nach Platons Bericht mit Entsetzen.47) Die Tradition des Netzes als einer Metapher der Macht reicht damit von der Kupferzeit bis in die griechische Antike. Aischylos verknüpft schließlich die Bedeutung des Netzes als einer männlich konnotierten Jagdwaffe in seiner 458 v. Ch. uraufgeführten Orestie mit der weiblich konnotierten Metaphorik der Textilproduktion. In der griechischen Mythologie finden sich viele Frauengestalten, mit deren Handarbeit sich eine komplexe Symbolik des Lebens verbindet: Ananke und ihre Töchter, die Moiren, die als Schicksalsgöttinnen die Fäden des Lebens spinnen, abmessen und durchtrennen; die Weberin Arachné wird für ihren kunstvollen Wandteppich, der das Liebesleben der Götter darstellt, von der gekränkten Athene in eine Spinne verwandelt und indem sich Penelope webend ihre aufdringlichen Freier vom Leib hält, schützt die Gemahlin des Odysseus ihr eigenes Leben und das ihres Mannes.48) In der Orestie nun tötet Klytaimestra mit einem netzartigen Gewebe ihren ebenfalls von Troja heimkehrenden Gatten Agamemnon, wodurch sie einen generationsübergreifenden Familienfluch fortsetzt, anhand dessen Aischylos das ›Netz des Schicksals‹ darstellt. Indem der Dramatiker das tödliche »Netzgewebe«49) zugleich als Waffe der Frau und als Symbol des tragischen Zusammenhangs inszeniert, verwandelt er die Metapher der Macht in eine des Schicksals, aus dessen tödlicher Verstrickung sich zu befreien die Aufgabe der Kultur wird. Spätestens mit dem Neuen Testament tritt gegenüber dem bedrohlichen Gebrauch der Netzmetaphorik ein versichernder hervor. Im Gegensatz zum Alten Testament erscheint das Netz nun nicht mehr als ein Mittel des Unheils und der Strafe, denn in der Figur des »Menschenfischers« erfährt es die Umdeutung zu einem Instrument der Rettung und Erlösung.50) So gleiche »das Himmelreich einem Netze, das ins Meer geworfen ist […]. Wenn es aber voll ist, so ziehen sie es heraus an das Ufer, sitzen und lesen die guten in ein Gefäß zusammen; aber die faulen werfen sie weg.«51) – Von der Metaphorik der Rettung und des Schutzes zehrt heute etwa noch der Begriff des ›sozialen Netzes‹ staatlicher Institutionen, das Bedürftige in Notsituationen auffängt. Kritiker des Sozialstaates deuten die Metapher wiederum gern zur ›sozialen Hängematte‹ um, in der sich das Verhältnis von Jäger und Opfer umkehrt: Nun erscheint das Netz als die Beute seines Inhaltes. Noch solche Modernisierung der Metapher zehrt von dem Netz als Artefakt. Seine vielfältige Verwendbarkeit als Waffe, als Falle oder Schutzvorrichtung verschafft der Daseinsmetapher einen ambivalenten Deutungsspielraum: Im Netz des Lebens kann man ebenso aufgehoben sein, wie man sich darin verstricken kann.

3.2 Taxonomische Metaphorik der Naturgeschichte (18.-19. Jh.)

Während die ursprüngliche Funktion von Netzen, das Jagen und Fangen, die Metapher zu einem Symbol der Macht und des Schicksals qualifiziert, ist es die eigentümliche Form von Netzen, die den Taxonomien der Naturgeschichte im 18. und 19. Jh. Modell steht, in der das ›Netz des Lebens‹ zu einer epistemischen Metapher avanciert. Die Entdeckung neuer Lebensformen und die zunehmenden Schwierigkeiten ihrer Systematisierung brachten die traditionelle Ordnungsmetapher der ›Kette der Lebewesen‹ (scala naturae) in eine strukturelle Krise und lösten damit eine Serie neuer Modellbildungen aus.52) Als eines der frühesten Zeugnisse dieser Entwicklung lässt sich die Naturgeschichte des Adriatischen Meeres (1751) anführen, in welcher der italienische Arzt, Archäologe und Botaniker Vitaliano Donati feststellt, dass die Natur stets »unmercklich von einem Gliede ihrer Kette, das ist von einer Art zur andern, fortgehet. Diese Glieder stellen hierbey vielmehr ein Netz als eine Kette vor«.53) Unter der Prämisse, dass die Natur keine Sprünge mache, wird in den folgenden Jahrzehnten von verschiedenen Naturforschern eine Reihe von Versuchen unternommen, die Verwandtschaftsbeziehungen der Arten in Netzwerk-Diagrammen darzustellen, die sich vom Primat der hierarchischen Stufenleiter lösen.54) In der zunehmenden Unübersichtlichkeit nichtlinearer Repräsentationsverfahren und ihres Drängens in die dritte Dimension zeigen sich bald die Grenzen der Netz-Diagramme. Die Suche nach einer Naturordnung veranlasst auf diese Weise eine Verschiebung der Repräsentationsebene: Soll das Netz zunächst die morphologischen Ähnlichkeitsbeziehungen der Lebewesen auf einer zweidimensionalen Ebene grafisch anordnen, richtet sich die Re-Metaphorisierung des Modells mit dem beginnenden 19. Jh. auf die funktionalen Relationen zwischen den verschiedenen Lebensformen.55) Auch, oder gerade dort, wo keine Netzwerk-Diagramme mehr entworfen werden, fungiert die Metapher des Netzes als ein Modell des Naturzusammenhangs.56) Das Netz stellt nun nicht mehr die kontinuierliche Ordnung der sichtbaren Lebensformen, sondern den unsichtbaren Zusammenhang des diskontinuierlichen Ganzen dar. Die Terminologisierung der Metapher zu einem epistemischen Modell markiert den Übergang von der Idee einer gottgegebenen Naturordnung zu einer Wissenschaft des Lebens: der Biologie, in deren Zentrum der Gedanke der ›Entwicklung‹ tritt. Dessen zeitliche Logik, in Gestalt der Abstammungslinie, bedingt schließlich die Prävalenz der Baum-Metapher. Nach einem gescheiterten Versuch, Netz- und Baum-Metapher miteinander zu verbinden, wird sich letztere für lange Zeit als Paradigma der Evolutionstheorie durchsetzen.57) Doch einmal als epistemisches Modell etabliert, wird die morphologisch-funktionale Netzmetaphorik im Lauf des 19. Jh. eine Karriere ganz eigener Art erfahren. Grundlage dafür ist ihre zunehmende Lexikalisierung durch neue technische Entdeckungen und Erfindungen.

3.3 Morphologische Netzmetaphorik und Lexikalisierungen bis zum 19. Jh.

Schon seit frühester Zeit hat die Struktur von Netzen zu morphologischen Übertragungen eingeladen. So vergleichen die antiken Ärzte die Haut des Augenhintergrundes mit einem Fischernetz: daher noch immer der Name ›Netzhaut‹.58) Als Bezeichnung für eine römische Bautechnik etabliert sich während der republikanischen Zeit der Begriff opus reticulatum (also ›Netz-Werk‹) für eine »eigenthümliche netzartige verbindung der mauersteine mit diagonal laufenden fugen«.59) In der Geometrie hat sich der Begriff des Netzes für Körperschnitte, also das ›Auffalten‹ der Oberfläche dreidimensionaler Objekte etabliert.60) Doch vor allem in der Anatomie etabliert sich der Begriff ›Netz‹ als Bezeichnung verschiedener Gewebetypen und Organteile. So wurde das Bauchfell (omentum) seit der Antike auch ›Netz‹ genannt, aber nicht – wie der flämische Arzt und Begründer der modernen Anatomie Andreas Vesalius in De humani corporis fabrica (1543) schreibt – wegen der Struktur der sich verzweigenden Blutgefäße, sondern weil es wie ein aufgehängtes Fischernetz in den Eingeweiden hängt.61) Erst die Erfindung des Mikroskops ermöglichte die Entdeckung und Beschreibung feiner netzartiger Strukturen in Pflanzen und Tieren.62) Diese führen auch zu entsprechenden Namensgebungen; so wird das nach dem italienischen Physiologen und Begründer der mikroskopischen Anatomie Marcello Malpighi (1628-1694) das rete Malphigii als eine Bezeichnung für die von ihm entdeckten rete mirabile (›Wundernetz‹) und rete epidermalia eingeführt.63) Während des 18. Jahrhunderts lässt sich eine zunehmende Terminologisierung der Metapher beobachten. Samuel Johnsons Dictionary of the English Language (1755) definiert das Wort ›network‹ als einen abstrakten morphologischen Begriff, der alles meint, was eine netzförmige Struktur mit gleichmäßigen Maschen aufweist: »Any thing reticulated or decussated, at equal distances, with interstices between the intersections.«64) In Johann Heinrich Zedlers Universal-Lexicon aller Wissenschaften und Künste (1740) findet sich ein Eintrag zum Begriff »Netz-Werck«, der hier als »aderichtes« aber nur jene von Malpighi entdeckte Gewebeart (Rete vasculare) bezeichnet.65) Das 26 Jahre später erschienene, sehr einflussreiche Grammatisch-kritische Wörterbuch der hochdeutschen Mundart (1793-1801) von Johann Christoph Adelung kennt den Begriff ›Netzwerk‹ wiederum gar nicht. Doch behandelt der entsprechende Eintrag zum »Netz« die anatomischen Bezeichnung für verschiedene Gewebe und Organteile als »figürlich«, d.h. als metaphorisch.66) Während des 19. Jh. verschwindet diese Klassifikation, die also eine ›uneigentliche‹ Redeweise bezeichnet und eine Vielzahl neuer ›Netz‹-Komposita beginnt den deutschen Wortschatz zu bereichern, die sich vor allem dem technischen Fortschritt verdanken. Anhand der zahlreichen Lexika und Wörterbücher des 19. Jahrhunderts lässt sich diese Entwicklung gut nachvollziehen: das lexikalische Feld von Netzen expandiert in der Mitte des 19. Jahrhunderts rapide und die Häufigkeit der Komposita übersteigt schließlich die Häufigkeit des Grundwortes.67) Je nach Stand der technischen und wissenschaftlichen Entwicklung spricht man nun zunehmend von Fernmeldenetzen, Leitungsnetzen, Stromnetzen, Wassernetzen oder Beobachtungsnetzen. Die neuen technischen Infrastrukturen, die sich rasch über die Welt ausbreiteten und rasante Veränderungen mit sich brachten, eröffnen eine gänzlich neue Bedeutung von ›Netzen‹ und ›Netzwerken‹, die mit ihrer archaischen und morphologischen Bedeutung zunächst überhaupt nichts mehr zu tun hat: die Verbindung und Verteilung von Zeichen, Strömen und Körpern. Waren Netze bisher Vorrichtungen des Fangens und Jagens, werden sie nun zu Einrichtungen des Verteilens und Verbindens. Die physikalische Funktionsweise und die gesellschaftliche Bedeutung der technischen Netze sowie die Analogiebildung zu anatomischen und physiologischen Modellen stiftete zum wesentlichen Teil die Grundlage der Bedeutung des modernen Netzwerk-Begriffs.68) Dass die neuen technischen Versorgungs- und Kommunikationssysteme aber überhaupt ›Netze‹ bzw. ›Netzwerke‹ genannt werden, hat zunächst morphologische Gründe.

4. Infrastrukturnetze im 19. Jh.

Als topologisches Modell dient das ›Netz‹ der Modellierung der ersten Eisenbahnsysteme. 1835 veröffentlicht der führende deutsche Wirtschaftswissenschaftler Georg Friedrich List einen Artikel über Eisenbahnen im Pfennig-Magazin – der ersten deutschen Illustrierten, mit einer wöchentlichen Auflage von bis zu 100.000 Exemplaren. In dem Artikel beschäftigt sich List mit methodischen Überlegungen zur Entwicklung eines deutschen Schienennetzes.69) In diesem Text kommt das Netz als Begriff noch nicht vor. Doch sieht man es auf dem Titelblatt: in Gestalt einer kartographischen Skizze. Drei Jahre später veröffentlicht List eine Abhandlung über Das deutsche National-Transport-System, in dem »Eisenbahnnetz« als Terminus erstmals nachweislich auftaucht.70) In dieser Abhandlung, die ein Nachdruck seines 1937 publizierten Lexikon-Artikels über »Eisenbahnen« in der Enzyklopädie der Staatswissenschaften ist, prognostiziert List, dass »sich die Eisenbahnsysteme aller großen Continental-Nationen netzartig gestalten [werden], so daß sie von den Hauptstädten nach den Hauptgrenz-Punkten ausstrahlen.«71) Während sich Frankreich an die Prognose hält, entwickelte sich das deutsche Schienennetz aus politischen Gründen nicht nach diesem Idealbild. So prägt der deutsche Geograph und Publizist Oscar Ferdinand Peschel (1826–1875) in der zweiten Hälfte des 19. Jh. eine bis in das 20. Jh. hinein zitierte Sentenz bezüglich der unterschiedlichen Bauweise beider Systeme: »Das französische Bahnnetz […] ist ein Spinnennetz, das deutsche ein Fischernetz.«72) Die Einführung und Durchsetzung der Netzmetapher für die neuen technischen Infrastrukturen beruht damit auf einer räumlichen Abstraktion und kartographischen Repräsentation mehr oder weniger zentralistisch organisierter politischer und wirtschaftlicher Räume. Wie schon im Kontext der Naturgeschichte erfolgt die Lexikalisierung der Metapher hier im Medium des Diagramms. Dasselbe gilt auch für die sich rasch entwickelnde elektrische Telegraphie. Analog zu den Eisenbahnen gibt die Einrichtung systematischer Querverbindungen zwischen den einzelnen, zentral verknüpften Telegraphenleitungen dazu Anlass, von Netzen zu sprechen.73) Die mit der neuen Technik zu Beginn des Zeitalters der Industrialisierung verbundenen kulturellen Irritationen und sozialen Spannungen führen dabei zu einer wiederholten Re-Metaphorisierung des lexikalisierten Begriffs und ihrer Verknüpfung mit der in der morphologischen Abstraktion ausgeblendeten Macht- und Beutemetaphorik, die sich z.B. in Karikaturen von Dampflokomotiven und Eisenbahnmoguln als Spinnen in einem bedrohlichen Netz zeigen.74) Umgekehrt beginnt sich die Funktion der neuen technischen Netzwerke, also das Verbinden und Verteilen von Körpern, Zeichen und Strömen, gleichsam rückwärts, in die morphologische Metapher einzuschreiben.

5. Neurophysiologische Netzmetaphorik im 19. Jh.

Die Lexikalisierung der morphologischen Metapher für biologische Gewebe und der funktionalen für technische Infrastrukturen erfährt im Laufe des 19. Jh. eine folgenreiche Verknüfung auf Grundlage einer wirkmächtigen Analogiebildung zwischen der Telegraphie und dem Nervensystem. Die Art dieser Analogiebildung zwischen technologischen und physiologischen Kommunikationsmodellen bezeichnet die Literaturwissenschaftlerin und Biologin Laura Otis als eine ›metaphorische Feedbackschleife‹.75) Denn die Übertragung der Metpaher findet in beide Richtungen statt.76) So bezeichnete der Ingenieur und Erfinder des Telegraphencodes Samuel Morse 1838 die Telegraphenleitungen explizit als Nervenbahnen, die Informationen über alle möglichen Vorkommnisse im ganzen Land verbreiten sollen.77) Etwa 10 Jahre später kehrt der Begründer der experimentellen Elektrophysiologe Emil Du Bois-Reymond diesen Vergleich um und verknüpft ihn mit dem Bild des Spinnennetzes: Denn so »wie die Zentralstation der elektrischen Telegraphen im Postgebäude in der Königsstraße durch das riesenhafte Spinngewebe ihrer Kupferdrähte mit den äußersten Grenzen der Monarchie im Verkehr steht, so empfängt auch die Seele in ihrem Bureau, dem Gehirn, durch ihre Telegraphendrähte, die Nerven, unaufhörlich Depechen von allen Grenzen ihres Reiches, des Körpers, und teilt nach allen Richtungen Befehle an ihre Beamten, die Muskeln aus.«78) Indem das Bild des Spinnennetzes sich der Architektur des königlichen Fernmeldewesens verdankt, visualisiert die Metapher die zentralistisch organisierte Kommunikationstechnik. Die morphologische Übertragung erfolgt hier analog zum Eisenbahnsystem. Doch wird nun das hierarchische Kommunikationssystem der Monarchie und ihre technische Infrastruktur auf den Nervenapparat des Körpers übertragen. Einige Sätze später kehrt der Physiologe die Relation jedoch wieder um, indem er erklärt, dass das »Wunder unserer Zeit, die elektrische Telegraphie, […] längst in der thierischen Maschine vorgebildet«79) gewesen sei. Durch diese Umkehrung der Übertragung entsteht nun jene ›metaphorische Feedbackschleife‹, von der Otis spricht: Soll das Nervensystem erst in Begriffen der elektrischen Telegraphie gedacht werden, fordert die Analogie nun dazu auf, die elektrische Telegraphie in Begriffen des Nervensystems zu denken. Du Bois-Reymond rechtfertigt diese Zirkularität mit dem Verweis auf eine innere Verwandtschaft beider Phänomene: »es ist Verwandtschaft zwischen beiden da, Uebereinstimmung nicht allein der Wirkungen, sondern vielleicht auch der Ursachen.«80) Weil es zu diesem Zeitpunkt aber weder für die Elektrizität noch für die Reizübertragung wissenschaftlich Erklärungen gibt, verweisen beide Referenzen der Analogie auf unbekannte Phänomene – was ihre Produktivität eher fördern als stören wird.81) In den folgenden anatomischen Debatten des 19. und noch des 20. Jahrhunderts führt die Metapher zu einer heftigen wissenschaftlichen Kontroverse. Seit der italienische Physiologe Camillo Golgi eine äußerst effektive Methode zur Einfärbung und Mikroskopierung von Nervenzellen entwickelt hat, haben sich zwei rivalisierende Gruppen von Neurohistologen entwickelt: Auf der einen Seite die ›Neuronisten‹ (zu gr. neûron, Nerv), auf der anderen die ›Retikulatisten‹ (zu l. reticulum, Netz). Golgi selbst gilt als der berühmteste Vertreter der letzteren, die aufgrund ihrer Beobachtungen zu der Auffassung gelangt sind, dass das ganze Nervensystem ein zusammenhängendes Netz aus Fasern, also jede Nervenzelle mit ihren Nachbarn physisch verbunden ist. Dem widersprechen ihre Gegner, die Neuronisten, vehement.82) Deren bekanntester Vertreter ist der spanische Arzt Santiago Ramón y Cajal, mit dem sich Golgi 1906 den Nobelpreis für Medizin teilt. Ramón y Cajal benutzt dieselbe von Golgi entwickelte Mikroskopiertechnik, kann aber nirgends physische Verbindungen zwischen den Zellen ausmachen; so mochten für ihn die Fasern zwar komplexe Geflechte miteinander bilden: »but never a net«.83) Stattdessen sieht er in den Nervenfasern selbstständige Einheiten nach dem Vorbild einer politischen Föderation – jede Zelle sei »absolutely autonomous physiological canton«.84) Der Streit zwischen den Neuronisten und den Retikularisten wird erst mit der Erfindung des Elektronenmikroskops und dem Nachweis des synaptischen Spaltes beigelegt. Die mehrere Jahrzehnte anhaltende wissenschaftliche Kontroverse zwischen beiden Lagern hat sich aber nicht zuletzt auch aus sehr unterschiedlichen Auffassungen von Netzen gespeist. Während Golgis Netzmetaphorik die organische Integration der Teile zu einem Ganzen zum Ausdruck bringen will, weist Ramón y Cajal die Metaphorik zurück, weil sie für ihn mit der Autonomie und Entwicklungsfähigkeit des Individuums in Konflikt steht.85)

6. Modernisierung des Netzwerkbegriffs im 20. und 21. Jh.

Während in den wissenschaftlichen Debatten des 19. Jahrhunderts die alte Bedeutung von Netzen, das Fangen und Schützen, von ihrer neuen Bedeutung, dem Übertragen und Verbinden, in den Hintergrund gedrängt wird, schreibt sich die Funktion der neuen technischen Netzwerke, also das Verbinden und Verteilen von Körpern, Zeichen und Strömen, sozusagen rückwärts, in die ursprünglich morphologische Metapher ein und transformiert sie in einen gleichsam strukturfunktionalistischen Begriff. Das Resultat dieser Transformation ist eine Verbindung der morphologischen Vorstellung von Netzen (Struktur) mit der prozessualen Idee der Interaktion (Funktion). Vor dem 19. Jahrhundert haben Netzwerke nicht kommuniziert oder interagiert, mit dem 20. Jahrhundert wird es zu ihrer Hauptsache. Nun erhält der Begriff des N. eine weit umfassendere Bedeutung: die der Selbst-Organisation, etwa von biologischen, sozialen, technischen und ökologischen Systemen oder komplexen Gefügen. Das wird die Bedeutung des Begriffs N. maßgeblich erweitern und verändern, mit dem sich ab der zweiten Hälfte des 20. Jh., maßgeblich seit den 1980er Jahren, zunehmend mit außerwissenschaftlichen Erwartungen verbindet. So erklärten sich die Herausgeber eines 1987 erschienenen Sammelbands über Soziale Netzwerke die Konjunktur des Netzwerk-Konzeptes vor allem mit lebhaften sozialen Utopien, die sich mit dem Konzept verbinden.86) Zu diesem Zeitpunkt existieren bereits unterschiedliche Begriffe von sozialen Netzwerken. In der Ethnologie beschreibt er das informelle Beziehungsgeflecht einer Person, in der Sozialanthropologie indessen die quantifizierbare Struktur größerer Gruppen.87) Doch beziehen sich die verschiedenen Begriffe immer auf gesellschaftliche Verhältnisse, die sich durch schwache institutionelle Strukturen auszeichnen. Währenddessen entdecken die Neuen Sozialen Bewegungen der 1970er Jahre das Netzwerk der community als Terrain der Selbstbefreiung und des Widerstands gegen die Zumutungen staatlicher Bürokratie und kapitalistischer Rationalität. Netzwerke als Figurationen des Intersubjektiven werden zur legitimen ja genuinen Form demokratischer Praxis erklärt. Als Modus der freien Kooperation autonomer und selbstbestimmter Individuen beruht die Politisierung sozialer Netzwerke auf der Suche nach einer Alternative zu autoritären Organisationsformen in kapitalistischen Lebenswelten.88) Wenn sich nun ein Großteil der sozialwissenschaftlichen Netzwerkforschung für die gleichen Angelegenheiten interessiert wie die sozialen Bewegungen, so Keupp, nämlich für »die Folgen von gesellschaftlichen Modernisierungsprozessen«89), dann nicht zuletzt deshalb, weil sie mit dem Konzept des Netzwerks implizit auch dessen »utopische Konnotationen« verhandelt. Die Attraktivität des Konzepts zehre demnach nicht nur von seiner methodischen Innovation, sondern – wenn auch unausgesprochen – von dem schillernden Spektrum der Alternativ- und Gegenkultur der 1980er Jahre. Seither verbinde sich mit dem Konzept der Netzwerke die »Last der großen Hoffnungen«.90) Die Last wird nun mit Anbruch des 21. Jh. nicht geringer, im Gegenteil. Vielmehr wird sie vermehrt von dem, was man in Anlehnung an Keupps Metapher die ›Last der großen Sorgen‹ nennen könnte: Versprach man sich von Netzwerken eine Überwindung der Probleme des Kapitalismus, werden sie nun selber zum Teil der Problems, das sie lösen sollten. Denn Netzwerke bleiben als Organisationsmodus nicht länger für soziale Bewegungen und alternative Lebensstile reserviert. Bald beginnt sich der Kapitalismus netzwerkförmig zu rekonfigurieren.91) Seit Mitte der 1980er Jahre verzeichnen Industrie- und Arbeitssoziologen die Transformation kompakter Betriebe in verteilte Produktionsnetzwerke.92) Mitte der 1990er Jahre verkündet Manuel Castells den Aufstieg der ›Netzwerkgesellschaft‹.93) Dezentralisierte, globale »Produktionsnetzwerke«94) und das zunehmende Verständnis von sozialen Netzwerken als »soziales Kapital«95) eröffnen neue Methoden der Wertschöpfung und Kontrolle, vor allem auf Grundlage der sich entfaltenden digitalen Netze. Das wachsende Unbehagen daran artikulierte sich schließlich in drastischer Programmatik zur Jahrhundertwende in Michael Hardts und Antonio Negris Manifest zum Empire – das globale Netzwerke zur primären Produktions- und Herrschaftsform des 21. Jahrhunderts erhebt, und politischen Widerstand auch nur noch in der Gestalt von Netzwerken erkennt.96) Damit wird das Netzwerk zu einem Modell gesellschaftlicher Transformation. In dieser Konsequenz konvergiert nun die Politisierung des Netzwerkkonzeptes mit seiner Formalisierung, wie sie durch die mathematischen Modelle neuerer Netzwerktheorien vorangetrieben wird.97) Nirgendwo kommt dies vielleicht deutlicher zum Ausdruck als in dem Vorwort zu einer vom Militär beauftragten Studie des Commitee on Network Science for Future Army Applications des National Research Councils der USA, in dem auch die führenden Netzwerktheoretiker Duncan Watts und Albert-László Barabási vertreten sind. In dem 2005 veröffentlichten Bericht wird die Sache der ›network science‹ zu einer nationalen Angelegenheit ersten Ranges erklärt: »First, networks lie at the core of the economic, political, and social fabric of the 21st century. […]. Moreover, social and communication networks lie at the core of both conventional military operations and the war on terrorism. Thus, investment in network science is both strategic and urgent national priority.«98) In dem Maße also, wie die Formalisierung des Netzwerkmodells ein wissenschaftliches Weltbild begründet, legitimiert die Politisierung des Konzepts auch zunehmend seine Universalisierung – und umgekehrt. Insofern zehrt also auch die Formalisierung von der Faszinationsgeschichte des Netzes. Nicht zuletzt deshalb knüpft sich an die Erforschung von ›Netzwerken‹ und ihrer Gesetzmäßigkeiten die Hoffnung, die Welt als Ganzes begrifflich zu fassen – »to grasp the properties of our weblike universe.«99)


Material

A. Primärmaterial

1740Zedler, Johann Heinrich: (Art.) Netz, in: Grosses vollständiges Universal Lexicon aller Wissenschafften und Künste, Bd. 23, S. 1014-1019.

B. Sekundärmaterial

Begriffsgeschichtliche Arbeiten

  • Emden, Christian J.: (Art.) Netz, in: Wörterbuch der philosophischen Metaphern, hg. v. Ralf Konersmann, Darmstadt 2007, S. 248-260.

Sonstige Literatur

  • Freyermuth, Gundolf S.: (Art.) Netzwerk, in: Grundbegriffe der Medientheorie, hg. v. Alexander Roesler; Bernd Stiegler, München 2005, S. 200-209 [enthält kurzen begriffsgeschichtlichen Abschnitt].
  • Spies, Marcus: Unsicheres Wissen. Wahrscheinlichkeit, Fuzzy-Logik, neuronale Netze und menschliches Denken. Heidelberg u.a., 1993.

Redaktionsseite

1)
Stefan Kaufmann: »Netzwerk«, in: Ulrich Bröckling (Hg.): Glossar der Gegenwart, Frankfurt am Main, 2004, S. 182.
2)
Hartmut Böhme: »Netzwerke. Zur Theorie und Geschichte einer Konstruktion«, in: Jürgen Barkhoff, Hartmut Böhme und Jeanne Riou (Hg.): Netzwerke. Eine Kulturtechnik der Moderne. Köln, 2004, S. 26.
3)
Erhard Schüttpelz: »Ein absoluter Begriff. Zur Genealogie und Karriere des Netzwerkkonzepts«, in: Stefan Kaufmann (Hg.): Vernetzte Steuerung. Soziale Prozesse im Zeitalter technischer Netzwerke. Zürich, 2007, S. 25.
4)
Jochen Koubek: Vernetzung als kulturelles Paradigma. Berlin, 2004.
5)
Rainer Fischbach: Mythos Netz: Kommunikation jenseits von Raum und Zeit? Zürich 2005, S. 14.
6)
Igor J. Poliansky: »Das Netzwerk als Natursystem und ästhetische ›Pathosformel‹ der Moderne«, in: Heiner Fangerau und Thorsten Halling (Hg.): Netzwerke. Allgemeine Theorie oder Universalmetapher in den Wissenschaften? Ein transdisziplinärer Überblick. Bielefeld 2009.
7)
Klaus Beyrer: »Gebahnte Wege. Aspekte der Vernetzung im historischen Landverkehr«, in: ders. und Michael Andritzky (Hg.): Das Netz. Sinn und Sinnlichkeit vernetzter Systeme. Heidelberg, 2002, S. 77.
8)
Thorsten Halling und Heiner Fangerau: »Netzwerke. Eine allgemeine Theorie oder die Anwendung einer Universalmetapher in den Wissenschaften«, in: dies. (Hg.): Netzwerke, Bielefeld, 2009.
9)
Böhme: »Netzwerke«, S. 26; Sebastian Gießmann: Netze und Netzwerke. Archäologie einer Kulturtechnik 1740 — 1840. Bielefeld, 2006, S. 14.
10)
Vgl. Christian J. Emden: »Netz«, in: Ralf Konersmann (Hg.): Wörterbuch der philosophischen Metaphern, Darmstadt 2007; Mark Wigley: »Network Fever«. In: Grey Room (2001) 4; Gießmann: Netze und Netzwerke.
11)
Schüttpelz: »Ein absoluter Begriff«, S. 24.
12)
Ebd., S. 26.
13)
Ebd., S. 40.
14)
Heiner Fangerau und Thorsten Halling (Hg.): Netzwerke. Bielefeld 2009, S. 8.
15)
Albert-László Barabási und Eric Bonabeau: »Scale-Free Networks«. In: Scientific American Bd. 288, 2003, S. 5.
16)
Albert-László Barabási: Linked, New York 2003, S. 178. Vgl. National Research Council und Committee on Network Science for Future Army Applications (Hg.): Network science, Washington DC, 2005.
17)
Als Beispiele solcher Netzwerke gelten etwa das Stromnetz der USA, die Zitation wissenschaftlicher Artikel oder die Verknüpfung von Hypertextdokumenten (z.B. Wikipedia) oder Computernetzwerken.
18)
Vgl. Milgram: »The Small-World Problem«. In: Psychology Today Bd. 2, 1967; Mark Granovetter: »The Strenth of Weak Ties«. In: The American Journal of Sociology Bd. 78, 1973, 6; Barabási: Linked; Mark Buchanan: Nexus, New York, 2003; Duncan J. Watts: Six Degrees, Vintage Books, 2004; Steven Henry Strogatz: Sync, New York, NY, 2004; Peter Csermely: Weak Links, Berlin, Heidelberg, 2009.
19)
Vgl. die Einleitung von Gilles Deleuze und Félix Guattari, in: Mille plateaux, Paris, 2009, S. 12–42. Zuerst erschienen als: Rhizome. Introduction, Les Edition de Minuit, Paris, 1976. Dt. Gilles Deleuze und Félix Guattari: Rhizom. Berlin, 1977.
20)
Gilles Deleuze und Félix Guattari: Tausend Plateaus. Berlin, 2002.
21)
Vgl. vor allem Pierre Rosenstiehl und Jean Petitot: »Automate asocial et systèmes acentrés«. In: Communications Bd. 22, 1974, vgl. ebd. S. 30. Zur netzwerktheoretischen Modellierung komplexer Synchronisationsprozesse vgl. Strogatz: Sync; Vanessa Compton: Understanding the Labyrinth as transformative site, symbol, technology. Toronto, 2007, entdeckt in Rosenstiehls Arbeit den Einfluss des Strukturalismus der 1950er und 60er Jahre, vor allem »the ideas of Roland Barthes« (ebd., 202); bezeichnender Weise ist es gerade das strukturalistische Denken, von dem sich die Autoren absetzen wollen.
22)
Vgl. Gilles Deleuze: Differenz und Wiederholung, München, 1997, S. 169. Auf Ebene der Rezeption demonstrieren die Autoren damit auch praktisch, was sie auf Ebene der Theorie postulieren.
23)
Vgl. dazu auch unten (Naturgeschichte 18. Jh.).
24)
Gilles Deleuze und Félix Guattari: Tausend Plateaus. Berlin, 2002, S. 35.
25)
Deleuze: Differenz und Wiederholung, S. 36–37.
26)
Vgl. Martin Stingelin: Das Netzwerk von Gilles Deleuze. Berlin, 2000; Wolfgang Welsch: Vernunft: Die zeitgenössische Vernunftkritik und das Konzept der transversalen Vernunft. Frankfurt am Main, 1995, S. 355–371; Umberto Eco: Semiotik und Philosophie der Sprache. München 1985, S. 125–130; Ingeborg Breuer, Peter Leusch und Dieter Mersch: Welten im Kopf. Profile der Gegenwartsphilosophie. Hamburg, 1996, S. 61–74; Jean Baudrillard: Oublier Foucault. München, 1983.
27)
Die ›Rhizomatik‹ will damit die Ebene der Repräsentation, und damit auch das Modell, zugunsten des Denkens einer reinen Immanenz hinter sich lassen. Ein Rhizom kann es in einem strengen Sinne also nicht ›geben‹, es kann immer nur ›gemacht‹ werden. Vgl. Deleuze: Differenz und Wiederholung, S. 41.
28)
Deleuze/Guattari: Tausend Plateaus, S. 30.
29)
Vgl. George P. Landow: Hyper/Text/Theory. Baltimore, John Hopkins UP, 1994; Ilana Ariela Snyder: Hypertext. The Electronic Labyrinth. New York, NY UP, 1997; Rob Shields (Hg.): Cultures of Internet. Virtual Spaces, Real Histories, Living Bodies. London: SAGE Publications 1996. Stanley Aronowitz, Barbara Martinsons und Michael Menser (Hg.): Technoscience and Cyberculture. New York, Routledge, 1996.
30)
Vgl. Caitríona Ní Dhubhghaill: »Netzwerk - Rhizom - Banyan. Komplikationen der Verwurzelung bei Kafka und Joyce«, in: Jürgen Barkhoff, Hartmut Böhme und Jeanne Riou (Hg.): Netzwerke. Köln, 2004.
31)
Bruno Latour: Reassembling the social. Oxford, 2005, S. 129.
32)
Bruno Latour: »On recalling ANT« (1999), in: John Law und John Hassard (Hg.): Actor network theory and after. Oxford, 2004, S. 15: Zum Netzwerkbegriff der Actor-Network-Theory siehe auch Bruno Latour: We have never been modern. Cambridge, Mass, 1993, S. 6.
33)
Bruno Latour: Eine neue Soziologie für eine neue Gesellschaft. Frankfurt am Main, 2007, S. 23 u. 224-231. Vgl. Manuel Castells: The rise of the network society. Malden, MA, 2008, siehe unten.
34)
Bruno Latour: Wir sind nie modern gewesen. Frankfurt am Main, 2008, S. 13.
35)
Ebd., S. 70 (Serres 1987a, Serres 1987b).
36)
Ebd., S. 119.
37)
Ebd., S. 14.
38)
Zur mythischen und antiken Netz-Metaphorik siehe unten.
39)
Almut Bick: Steinzeit. Stuttgart, 2006, S. 89.
40)
Vgl. Eckart Köhne und Cornelia Ewigleben: Gladiatoren und Caesaren. Mainz, 2000, S. 64–66.
41)
Karl Meuli: »Ein altpersischer Kriegsbrauch«, in: Thomas Gelzer (Hg.): Gesammelte Schriften Bd. 2, Rudolf Tschudi zum siebzigsten Geburtstag. Basel, 1975, S. 703. Vgl. Mahābhārata, hsg. Krsnācārya-Vyāsācārya, Bombay 1908. Südliche Rezension 8, 15, 21, 24; Vgl. 4, 48, 7 und nördl. Rez. 4, 43, 9.
42)
Vgl. Habakuk I,15-17, Hosea V,1; Josua XXIII,13; Psalm X,9; Psalm XXV,15; Psalm XXXI,5; Samuel XXVIII,9; Sprüche XXIX,5; Kohelet VII,26, IX,12.
43)
Vgl. Ezechiel XII,13,20, XXXII,3; Hosea VII,12; Ijob XVIII,8; Jeremias I,13; Psalm IX,16.
44)
Vgl. Psalm XXXV,7-8, LVII,7, CXL,6, CXLI,10; Richter II,3; Sprüche V,22.
45)
Karl Meuli: »Ein altpersischer Kriegsbrauch«, in: Thomas Gelzer (Hg.): Gesammelte Schriften, Basel 1975, S. 699–729.
46)
Platon: Nomoi III, 698d, Herodot VI, 31.
47)
Platon: Nomoi 3, 698d. Übersetzung von Meuli a.a.O, S. 700. Vgl. die Übersetzung von Klaus Schöpsdau in: Platon: Gesetze. Buch I-VI, Darmstadt, 2001, S. 209: »sich die Hände reichend, hätten die Soldaten des Datis das ganze eretrische Land wie mit einem Schleppnetz durchzogen.«
48)
Vgl. Platon: Politeia 617c, Symposion 195c u. 197b, Ovid: Metamorphosen VI 1-145, Homer: Odyssee II 93-110, XIX 136-142.
49)
Aischylos: Die Orestie, übersetzt von Emil Staiger, Stuttgart, 2002.
50)
Vgl. Lucas V,1-10, Matthäus IV,20-21, Marcus I,16, Johannes XXI,6, Timotheus VI,9. Das Netz als Mittel des Verderbens kommt im NT kaum mehr vor, lediglich in Matthäus XXII,15 halten die Pharisäer »einen Rat, wie sie ihn fingen in seiner Rede« (Lutherbibel 1912), wobei das Verb ›fangen‹ (pagideuein) hier auf pagij (›Schlinge‹, ›Netz‹) zurückgeht, desgleichen 1. Timotheus VI,9.
51)
Matthäus XIII,47. Zitiert nach Lutherbibel 1912.
52)
Der Begriff der scala naturae geht zurück auf die Idee einer stufenförmigen Hierarchie der Lebewesen (ἐφεξῆς) bei Aristoteles, vgl. Hist. animalium VIII, 1, 588b–589a; De partibus animalium IV, 5, 681 a; De generatione animalium II 733a 32–b 16; Vgl. Heinz Happ: »Die Scala naturae und die Schichtung des Seelischen bei Aristoteles«, in: Ruth Stiehl und Hans Erich Stier (Hg.): Beiträge zur Alten Geschichte und deren Nachleben. Bd. 1, Berlin, 1969. Zur ihrer christlich-theologischen Erweiterung siehe Arthur O. Lovejoy: The great chain of being. Cambridge, Mass, 1971.
53)
Vitaliano Donati: Della storia naturale marina dell' Adriatico. Venedig, 1751, S. XIX.
54)
Unter der Prämisse der naturgeschichtlichen Kontinuität wird die scala naturae damit nicht radikal verworfen, sondern um eine zweite Dimension erweitert. Aus dem Diktum »Natura non facit saltus« schloss Carl von Linné die Möglichkeit einer kartographischen Darstellung der Arten, vgl. Carl von Linné: Philosophia Botanica, Stockholm 1751, S. 27. Während Linné selbst ein hierarchisches (enkaptisches) Ordnungssystem entwickelte – das auf einer binominalen Nomenklatur aus substantivischem Gattungsnamen mit artspezifischem Zusatz beruht – wurden in der Folge zahlreiche Versuche netzwerkförmiger Gliederungen unternommen, u.a. in Bernardin de Saint-Pierre: Voyge à I'Isle de France, a L'Isle de France de Bourbon, Au Cap de Bonne-Experance etc.:, Neuchatel 1773, S. 104; Johann Philipp Rüling: Ordines Naturales Plantarum Commentatio Botanica. Göttingen, 1774; Johannes Hermann: Tabula Affinitatum Animalium. Argentorati, 1783, S. 35; Carl Ludwig Willdenow: »Zufälliger Gedanken über Pflanzengattungen«. In: Magazin für die Botanik Bd. 3, 1790, St. 9; August Johann Georg Carl Batsch: Tabula affinitatum regni vegetabilis. Weimar, 1802, S. XIff.; Georges Louis Leclerc de Buffon: »Nos domestiques carnivores. Du chien«, in: P. Bernard (Hg.): Histoire naturelle Bd. 4, Paris, 1804, S. 199–213; Michel-Félix Dunal: Monographie de la famille des Anonacées. Paris, 1817, S. 21f. Vgl. Wolf Lepenies: Das Ende der Naturgeschichte. München, Wien, 1976, S. 44–62; Annette Diekmann: Klassifikation - System - 'scala naturae', Stuttgart, 1992; Gießmann: Netze und Netzwerke, S. 33–56; Michael Penkler: Genealogie von Netzwerkkonzepten. Wien, 2008, S. 12–40; Poliansky: »Das Netzwerk als Natursystem und ästhetische ›Pathosformel‹ der Moderne«.
55)
Penkler: Genealogie von Netzwerkkonzepten, S. 12–40.
56)
Carl Ludwig Willdenow: Grundriß der Kräuterkunde. Berlin, 1792, S. 148; Denis Diderot: »Le Rêve de d'Alembert«, in: Friedrich Melchior Grimm (Hg.): Mémoires, correspondance et ouvrages inédits de Diderot Bd. 4 (1769), Paris, 1830-31; George Cuvier und M. Valenciennes: Histoire naturelle des poissons, Paris, Strasbourg, 1828, S. 596.
57)
Vgl. Lorenz Oken: Abriss des Systems der Biologie. Göttingen, 1805, S. 203 und Gießmann: Netze und Netzwerke, S. 51–56.
58)
Vgl. »Netzhaut«, in: Kluge (Hg.): Etymologisches Wörterbuch, Berlin, 1999, S. 586–587.
59)
»Netzwerk«: Deutsches Wörterbuch, München 1984, S. 644–657.
60)
»Netz« (1740), in: Johann Heinrich Zedler (Hg.): Grosses Universal-Lexicon aller Wissenschaften und Künste, Bd. 23, Graz, 1994, 2003.
61)
Andreas Vesalius: De Humani Corporis Fabrica libri septem. Basel, 1543, S. 497. Vgl. Andreas Vesalius: On the fabric of the human body, hg. von William Frank Richardson und John Burd Carman. Novato Calif, 2007.
62)
Vgl. Marcellus Malpighi: Die Anatomie der Pflanzen. Frankfurt am Main, 1999.
63)
Malphigi entdeckt 1661 den Kapilarkreislauf in der Lunge. Vgl. Marcellus Malpighi: »De Pulmonibus. Epistola I.«: Opera Omnia Bd. 2, London, 1686, S. 134.
64)
Samuel Johnson: A Dictionary of the English Language, Vol II., London, 1755, S. 139.
65)
»Netz-Werck (aderichtes). Rete vasculare« (1740), in: Johann Heinrich Zedler (Hg.): Grosses Universal-Lexicon aller Wissenschaften und Künste, Bd. 23, Graz, 1994, S. 2022.
66)
»Netz« (1774-1786), in: Johann Christoph Adelung (Hg.): Grammatisch-kritisches Wörterbuch der hochdeutschen Mundart Bd. 3, Leipzig, 1793-1801, S. 473.
67)
Vgl. Friedrich
68)
Vgl. Laura Otis: Networking. Ann Arbor, 2001, S. 2 und Christian J. Emden: »Epistemische Konstellationen 1800-1900«, in: Jürgen Barkhoff, Hartmut Böhme und Jeanne Riou (Hg.): Netzwerke. Köln, 2004, S. 128–129.
69)
Friedrich List: »Über Eisenbahnen und das deutsche Eisenbahnsystem«, 07.03.1835. In: Das Pfennig-Magazin Bd. 3, 1835, S. 101.
70)
Friedrich List: Das deutsche National-Transport-System in volks- und staatswirthschaftlicher Beziehung. Berlin, 1988, S. 13.
71)
Friedrich List: »Eisenbahnen. Die wirthschaftliche, soziale und politische Bedeutung derselben. Statistik der Eisenbahnen«, in: Carl von Rotteck und Karl Theodor Welcker (Hg.): Staats-Lexikon oder Encyklopädie der Staatswissenschaften Bd. 4 (1837), Altona, 1834–1843, S. 742.
72)
J. F. Schreiber: Eisenbahnen als öffentliche Verkehrseinrichtungen und ihre tariff Politik 1887, S. 213
73)
Gießmann: Netze und Netzwerke, S. 57f.
74)
Beyrer: »Gebahnte Wege«, S. 75 und Otis: Networking, S. 89.
75) , 80)
Ebd.
76)
Christian J. Emden: »Epistemische Konstellationen 1800-1900«, in: Jürgen Barkhoff, Hartmut Böhme und Jeanne Riou (Hg.): Netzwerke. Köln, 2004, S. 127-154.
77)
Samuel F. B. Morse: His Letters and Journals, hg. von Edward Lind Morse, Boston, 1914, vol. 2, S. 85.
78)
Emil Du Bois-Reymond: Über thierische Bewegung. Berlin, 1851, S. 29.
79)
Ebd., S. 30.
81)
Maxwell präsentiert seine einheitliche Theorie des Elektromagnetismus 1864 der Royal Society in: James Clerk Maxwell: »A Dynamical Theory of the Electromagnetic Field«. In: Philosophical Transactions of the Royal Society of London Bd. 155 (1865) und das Phänomen der Reizübertragung wird die Neurophysiologie noch mehr als ein Jahrhundert beschäftigen, vgl. Edwin Clarke und Charles Donald O'Malley: The human brain and spinal cord, Berkeley, Los Angeles, 1968.
82)
Vgl. Ebd.
83)
Santiago Ramón y Cajal: »Estructura del cerebrelo«. In: Gaceta Médica Catalana, 1888, 11, S. 455–457. In: Clarke and O'Malley: The human brain, S. 112.
84)
Ebd., S. 455–457, in: Clarke and O'Malley: The human brain, S. 112.
85)
Vgl. Santiago Ramón y Cajal: »The Croonian Lecture: La Fine Structure des Centres Nerveux«. In: Proceedings of the Royal Society Bd. 55, 1894, S. 467–468.
86)
Heiner Keupp: »Soziale Netzwerke. Eine Metapher gesellschaftlichen Umbruchs?«, in: Heiner Keupp und Bernd Röhrle (Hg.): Soziale Netzwerke, Frankfurt/M., New York 1987, S. 12.
87)
Bernhard Streck: »Netzwerk«, in: Bernhard Streck, John Eidson und Katrin Berndt (Hg.): Wörterbuch der Ethnologie, Wuppertal 2000, S. 176–179; Phillip Fuchs: »Zur Genese des Netzwerkbegriffs in der Soziologie«, in: Jan Broch, Markus Rassiller und Daniel Scholl (Hg.): Netzwerke der Moderne, Würzburg 2007. Während sich der ethnologische Netzwerkbegriff als eine qualitative Beschreibungskategorie durchsetzte, entwickelte sich der sozialanthropologische Netzwerkbegriff spätestens seit den 1970er Jahren durch seine Verbindung mit der mathematischen Graphentheorie zu einem quantitativen Analysemodell. Granovetter: »The Strenth of Weak Ties«, Harrison C. White: Identity and control, Princeton, NJ 1992.
88)
Kaufmann: »Netzwerk«, S. 183.
89)
Keupp: »Soziale Netzwerke«, S. 20.
90)
Ebd., S. 19–20.
91)
Joachim Hirsch und Roland Roth: Das neue Gesicht des Kapitalismus, Hamburg 1986.
92)
Norbert Altmann et al.: »Ein ›Neuer Rationalisierungstyp‹ - neue Anforderungen an die Industriesoziologie«. In: Soziale Welt Bd. 37 (1986) 2/3.
93)
Arnold Windeler: Unternehmungsnetzwerke, Wiesbaden 2001, Castells: The rise of the network society.
94)
Daniel Bieber: »Systemische Rationalisierung und Produktionsnetzwerke«, in: Thomas Malsch und Ulrich Mill (Hg.): ArBYTE, Berlin 1992.
95)
Pierre Bourdieu: »Ökonomisches Kapital - Kulturelles Kapital - Soziales Kapital«, in: Margareta Steinrücke (Hg.): Die verborgenen Mechanismen der Macht, Hamburg 2005, S. 190.
96)
Michael Hardt und Antonio Negri: Empire, Cambridge, Mass. 2000.
97)
Vgl. Barabási: Linked, S. 178; Watts: Six Degrees, S. 303.
98)
Network science, S. vii.
99)
Barabási: Linked, S. 178
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